Im Chemiekammerl und hinter Gittern

Streamingtipps. Teenager, die in der Schule eine Underground-Sextherapieklinik aufziehen, ein sympathischer Stalker und eine verliebte Gefängniswärterin, die zwei Häftlingen beim Ausbrechen hilft. Diese Serien sind neu auf Netflix und Co.

Sex Education

In der Theorie kennt sich der 16-jährige Otis (Asa Butterfield) bestens aus: Er weiß, wo bei Frauen die Paraurethraldrüsen sitzen und dass zu viel Kiffen zu Ejakulationsstörungen führen kann. In der Praxis ist er, was Sex angeht, aber schmerzlich unerfahren – was ihn so belastet, dass er zu Hause mit Handcreme befleckte Taschentuchknäuel ausstreut, um wenigstens seiner Mutter ein „normales“ Masturbationsverhalten vorzugaukeln. Diese (Gillian Anderson, bekannt aus „Akte X“) ist nämlich Sextherapeutin und ihrem Sohn gegenüber so unverblümt, dass ihm die eigene Unbeholfenheit gleich noch peinlicher ist. Was er von ihr gelernt hat, kann er immerhin gewinnbringend einsetzen: Mithilfe der toughen Maeve, die in einem Trailerpark wohnt und viel existenziellere Probleme hat als ihre um Beliebtheit ringenden Mitschüler, etabliert sich Otis an seiner Schule als eine Art Underground-Teenie-Sextherapeut.

Die britische Serie „Sex Education“ ist ein wunderbar komischer und feinfühliger Blick auf jugendliche Sexualität – was hier vor allem heißt: auf jugendliche Verletzlichkeit. Und sie ist bei aller dramaturgischen Überhöhung (im Chemiekammerl dieser Schule wird praktisch nichts getan als gevögelt) erstaunlich ehrlich. Ab 11. Jänner. (kanu)Netflix

You – Du wirst

mich lieben

„Every account set to public. You want to be seen“, murmelt der Buchhändler Joe, während er durch Becks Social-Media-Profile scrollt. Er beschließt, dass sich die Literaturstudentin in ihn verlieben wird – und scheut auf seinem systematischen Eroberungskurs keine unlauteren Mittel. Der Thriller um einen einerseits sympathischen, andererseits überraschend gewaltbereiten Stalker hat es über die Feiertage zu einem kleinen Hype geschafft. Sehr tiefgründig ist die Serie nicht, auf ihre trashig-dramatische Art aber eine ziemlich befriedigendes „guilty pleasure“ – mit passender Besetzung: Joe spielt Penn Badgley, bekannt aus „Gossip Girl“. (kanu)Netflix

Baby

Coming-of-Age-DramaMan könnte meinen, Chiara und Ludovika würden sich bloß langweilen. Aber hinter dem Coming-of-Age-Drama der Teenager steckt mehr: Sie leben in der schillernden High-Society-Blase des römischen Nobelviertels Parioli, stehen zwischen Eliteschule, Sportdrill und Champagnerpartys gehörig unter Druck und sollen für ihre Eltern vor allem eines: den guten Ruf wahren. Gerade weil ihre Welt so perfekt zu sein scheint, „brauchen wir ein Geheimnis – ein Doppelleben“, findet Chiara (Benedetta Porcaroli) – und stürzt sich mit Ludovika (Alice Pagani) ins pubertär-hormonell angestachelte Abenteuer. Sechs hitzige Folgen lang zeigt „Baby“, wie sich die Mädchen von ihren Eltern, von denen sie keine Zuwendung zu erwarten haben, abwenden und in die Prostitution schlittern. Ein Drama mit erschütterndem Hintergrund: 2014 wurde in Italien ein Prostitutionsskandal um teilweise erst 14-jährige Mädchen aufgedeckt („Baby squillo“). Sie kamen aus gutem Haus, manche aus Parioli. (i.w.)Netflix

The Marvelous

Mrs. Maisel Beschwingte Komödie, Staffel zwei

Die herrlich optimistische Selbstermächtigungsgeschichte der New Yorkerin Midge Maisel, die in den 50ern die Trennung von ihrem Mann auf versifften Comedybühnen verarbeitet, ist auch in Staffel zwei ein Vergnügen: etwa wenn sich Exmann Joel der Kleiderfabrik seiner Eltern annimmt und entdeckt, dass die Buchhaltung in einer Mischung aus Jiddisch und Altaramäisch geführt wurde. Oder wenn Midges vornehme Eltern in Paris das Bohemeleben für sich entdecken. Überschwänglich unterhaltsam. (kanu)Amazon

Escape at Dannemora

Die von Ben Stiller inszenierte Miniserie beruht auf einer wahren Geschichte – und diese ist tatsächlich spektakulär. Zwei Gefängnisinsassen gelang der Ausbruch, und zwar mit der Hilfe einer Angestellten der Haftanstalt, mit der beide Sex hatten. Was ist da geschehen? Über sechs Folgen hinweg spürt „Escape at Dannemora“ der Zweckfreundschaft zwischen den beiden Männern nach, den Hierarchien in der Anstalt – nein, nicht alle Kämpfe um die Hackordnung werden mittels Prügelei ausgetragen – und vor allem der Beziehung beider Häftlinge zu Joyce, einer Frau, die ihren Mann genauso zu hassen scheint wie ihren Beruf und den schmutzigen Schnee, der nicht schmelzen will. Das Leben scheint sie nur zu ertragen, weil die Hoffnung besteht, mit einem der beiden Häftlinge – in einen ist sie ein bisschen verliebt – im Hinterzimmer zu verschwinden. Allein das beglückte Lächeln auf ihren Lippen, wenn sie nach einer Minute basalem Sex wieder auf ihrem Arbeitsplatz sitzt!

Patricia Arquette ist in ihrer Rolle als Joyce nicht wiederzuerkennen. Dazu gibt es fesselnde Kamerafahrten durch ein wahres Labyrinth aus Gängen und Röhren, durch das die beiden zu entkommen hoffen. (best)Sky

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2019)

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