Diese Tänzer stampfen, boxen, grimassieren

Ian Kaler
Ian KalerMärta Thisner
  • Drucken

Ian Kaler schickt das Cullbergbaletten in seinem neuen Stück "On the Cusp" in den Turnsaal: Das wirkt frisch und vermittelt Nähe.

Eine Weltpremiere! Das klingt nach einer Steilvorlage: groß, hoch, anspruchsvoll. Ian Kaler nimmt's sportlich – und schickt die Tänzerinnen und Tänzer des schwedischen Cullbergbaletten für sein neues Stück, „On the Cusp“, im Fußballertrikot, mit angedeuteten Rugbyschultern oder im Fechtoutfit auf die Bühne des Tanzquartiers. Noch während das Publikum die Plätze einnimmt, zeigen sie ihre Künste am Springseil. Das ist nicht bloß schweißtreibende Aufwärmarbeit, das Stampfen der Füße und Surren der Seile geben den Rhythmus vor und erzeugen eine Klangkulisse, die an den Sound afrikanischer Stammestänze erinnern, bevor die Synthesizer-Blasmusik von Planningtorock einsetzt und für den Rest des Abends den Takt übernimmt.

Man stimmt sich ein, bringt sich auf Touren, leistungsbereit, siegeswillig. Die Markierungen auf dem Boden deuten einen Turnsaal an: jenen Ort, an dem jeder Einzelne sein Können zu beweisen hat und sich zeigt, ob eine Gruppe zur Teambildung fähig ist oder nicht. Die Truppe wirkt ohnehin wie eine bunt zusammengewürfelte Klasse, in der es alles gibt, vom Streber bis zum Klassenclown.

Ein Knäuel aus Leibern

Bald sondern sich einzelne Gestalten ab, die sich an eine auf der Bühne aufgestellte Wand drücken, als wollten sie sie sanft wegschieben. Immer mehr werden es, bald sind sie ineinander verwoben, heben einander in die Höhe, ziehen sich gegenseitig über den Boden, rollen über die anderen, gelangen auf den Mauerrand und helfen dem nächsten hinauf. Ein Knäuel aus Leibern, eine Masse, in der die Individuen einander helfen, nach oben zu gelangen – am Ende sitzen oder stehen alle glücklich und zufrieden auf der Mauer, an der Spitze.

Das ist einer der stärksten Momente an diesem Abend, an dem auch geboxt, gerungen, mit Juchee lustig über den Boden gerutscht, grimassiert, gefuchtelt und geblödelt wird. Kaler hebt die Individualität der Tänzerinnen und Tänzer hervor, lässt sie sich auspowern und improvisiert wirkende Soli absolvieren. Am Ende glaubt man als Zuschauer, sie alle ein Stück weit persönlich zu kennen. Diese Nähe, die Frische, die Energie sind es, die das Stück auszeichnen – auch wenn dem allen am Ende ein bisschen die Puste ausgeht.

Reprisen: 11.+12. 1., 19:30 Uhr, TQW, Halle G

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.