Volkstheater: Syriens Bürgerkrieg als Operette

Liebe in Zeiten des Bürgerkrieges: Isabella Knöll als Freiheitskämpferin Hêvîn, Peter Fasching als Österreicher Michael, der syrischen Kurden helfen will.
Liebe in Zeiten des Bürgerkrieges: Isabella Knöll als Freiheitskämpferin Hêvîn, Peter Fasching als Österreicher Michael, der syrischen Kurden helfen will.(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Ibrahim Amirs „Rojava“ wirkt hölzern. Die Uraufführung dieses überladenen Lehrstücks durch Sandy Lopičić überzeugt höchstens musikalisch und in einzelnen Szenen.

Wie soll man auf der Bühne den Krieg darstellen? Soll man von ihm episodisch erzählen, mit raschen Rückblenden und Ortswechseln, die vom Harmlosen ins Grauen führen? Soll man heroisch sein? Idealistisch und voller sozialem Engagement? Plakativ oder gar im Predigerton, der stets genau weiß, was das Gute und das Böse sei? Soll man das Drama durch eine rührende Geschichte aufpeppen, in der Liebende nicht zueinanderfinden? All das hat Ibrahim Amir in „Rojava“ unternommen. Die Fülle hat dem Stück nicht gutgetan.

Unklar bleibt, ob es die zu große Nähe oder die inzwischen zu große Distanz zum Thema ist, die es scheitern ließ. Amir ist in Syrien aufgewachsen, seit 2002 lebt er in Wien, wo er ein Medizinstudium erfolgreich absolviert hat. Er ist auch der Literatur treu geblieben, die er kurz in Aleppo studiert hatte. Die Theaterwissenschaft wurde ihm aber bald vom Regime verboten. Er schreibt vor allem sozialkritische Stücke. Für „Habe die Ehre“ erhielt er 2013 einen Nestroy-Preis. Nun hat er den Freiheitskampf seines Volkes in ein Stück gepackt – und leider überladen:

Die von Sandy Lopičić inszenierte Uraufführung erwies sich im Wiener Volkstheater als reizlos. Gespielt wurde bis zur Peinlichkeit melodramatisch. Nur die exotisch klingende Musik (Leitung: Imre Lichtenberger Bozoki), an der sich auch einige Schauspieler beteiligten, hellte das Treiben auf der Drehbühne etwas auf. Vibeke Andersen hat sie als Mischung aus Wohnung, Kissen und Ruinen gestaltet, gesäumt von windschiefen Masten.

„Rojava“ handelt vom Bürgerkrieg im Autonomiegebiet in Nordsyrien. Es erzählt vom jungen Österreicher Michael (Peter Fasching). Inspiriert von seiner kurdischen Freundin Derya (Golnar Shahyar) bricht er von Wien nach Rojava auf, um beim Aufbau einer demokratischen Föderation zu helfen. Wenn anfangs seine Mutter auftritt, das Publikum anspricht (Claudia Sabitzer spielt später auch eine kurdische Kommandantin), befindet er sich bereits im Kampfgebiet.

Ein Blinder als lustige Figur

Dort trifft Michael auf Alan (Luka Vlatković), der in die Gegenrichtung möchte. Er schafft es, dem Österreicher, der mit E-Reader, Gitarre und Rucksack nach Rojava kam, den Pass abzuschwatzen, um nach Europa aufbrechen zu können. Seinen blinden Cousin Kaua (Sebastian Pass) lässt er zurück. Alans Traumziel ist Japan, Zwischenhalt macht er in Wien. Prompt trifft er Derya und auch die Mutter. Sie bringt das Dilemma auf den Punkt: Warum ist ihr Sohn in Syrien und Alan in Wien, statt für sein Volk zu kämpfen?

Zu viele Zufälle? Nein, auch Eros muss in dieser Operette sein. Michael, der vor der Schussabgabe stets ohnmächtig wird, verliebt sich in die Kämpferin Hêvîn (Isabella Knöll). Sie macht ihm klar, warum solch ein Gefühl gerade nicht sein darf. Der Höhepunkt, fast am Ende von mehr als zwei Stunden: Liebeswahn, während 60 islamistische Angreifer sie unter Beschuss nehmen. Nein, solche Szenen sowie das ständige Argumentieren wirken allzu oft aufgesetzt, geradezu hölzern. Am ehesten nimmt man noch Sabitzer ihre Rollen ab, sie wirkt als Mutter wie auch als emanzipierte Kurdin stark. Am besten kommt Pass mit dem holprigen Text zurecht. Er spielt den Zyniker, die lustige Figur in diesem kurdisch-österreichischen Dilemma. Leider muss er am entbehrlich anschaulichen Schluss mitwirken. Wer will nach all dem Pathos auch noch sehen, wie in diesem Lehrstück der Blinde plaudernd auf einer Mauer sitzt, während Michael zu ihm hochkommt? Bis der finale Schuss fällt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2019)

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