Ein Supperl auf diesen Toten, den keiner kannte!

Die Performance „Ungebetene Gäste“ gedenkt einsam Verstorbener.

Und dann sitzt man gemeinsam mit dem Rest des Publikums an einer langen Tafel in der marmornen Aufbahrungshalle des Zentralfriedhofs, isst Rindssuppe mit Brot, plaudert über Baumbestattungen oder Menschen, die ihre verstorbene Mutter als Diamant am Finger tragen, und hebt sein Glas: „Auf A.!“ Gekannt hat A. hier niemand. Aber ein bisschen meint man doch, diesen Menschen in den vergangenen Stunden kennengelernt zu haben – oder eine mögliche Version von ihm.

A. ist Ende letzten Jahres gestorben, allein, ohne Angehörige, die ihn hätten bestatten können. Als einer von etwa 500 Menschen jedes Jahr bekam er ein „einsames Begräbnis“ von der Stadt Wien. Das Theaterkollektiv Darum schenkt ihm nun mehr Aufmerksamkeit – in Form einer Performance, die wie ein Detektivspiel beginnt und wie eine Trauerfeier endet. Brav anonymisierte Hinweise (vom Meldezettel bis zum Protokoll einer Pflegerin) vermitteln in einer begehbaren multimedialen Installation im Werk X-Petersplatz eine Ahnung davon, wie A. lebte und tickte, viel muss man sich freilich selbst ausmalen: Ob A. wohl Zufriedenheit verspürte, wenn er in seiner aufwendig rekonstruierten Wohnung Sudoku löste und dabei „Winnetou“-Kassetten hörte? Ob er seiner Exfrau noch nachhing? Und ob ihm recht wäre, dass hier an ihn „erinnert“ wird?

„Ungebetene Gäste“ heißt die Spurensuche, die noch bis Sonntag insgesamt fünf verschiedener Menschen gedenkt. Ihr zweiter Teil führt via Bus zum Zentralfriedhof: Ein Erlebnis, das verspielt Gedanken zu Erinnerungskultur und Einsamkeit aufwirft – dem die lange Fahrt aber leider viel von seiner Intensität nimmt. (kanu)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2019)

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