Burgtheater: Erst die Familie, dann die Moral

So falsch, so brutal, so feig: Sulaver als Helen, Postlmayr als Liam, Radakovits als Danny.
So falsch, so brutal, so feig: Sulaver als Helen, Postlmayr als Liam, Radakovits als Danny. (c) Reinhard Maximilian Werner
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Dennis Kellys Drei-Personen-Drama „Waisen“ im Vestibül: Ein spannender, steiler Abstieg vom falschen Idyll in echte Bestialität. Präzise gespielt, schlau in Szene gesetzt.

Zwei schöne Menschen machen sich einen schönen Abend. Eng aneinander geschmiegt tanzt das junge Paar Danny und Helen, ihr Kind ist außer Haus. Da platzt Helens vorbestrafter Bruder Liam herein, sein T-Shirt ist blutbefleckt. Und schon gerät alles ins Wanken: Ist er Opfer oder Täter? Was hat Vorrang: der Schutz der Familie vor der Polizei oder die Hilfe für einen Verletzten, der irgendwo da draußen liegt, in dieser ach so feindseligen Welt? Abstrakte, kühle Moral oder wärmender animalischer Instinkt?

Während die Emotionen sich auf der winzigen Bühne verdichten, weitet sich der Gedankenraum für den Zuschauer – zum Panorama einer Gesellschaft, die in ihre kleinsten Einheiten zersplittert. Was wird aus uns, wenn wir uns abkapseln, einigeln und im Fremden nur noch den Feind sehen? Der Brite Dennis Kelly hat mit „Waisen“ schon 2009 an einer offenen Wunde gerührt, die heute weiter klafft denn je. Hierzulande wurde das spannende, beklemmende und oft auch grimmig komische Stück erstmals 2011 im Wiener Schauspielhaus aufgeführt, mit großem Erfolg. Am Donnerstag hatte es im Vestibül des Burgtheaters Premiere.

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