"The Bruno Kreisky Lookalike": Ein Werbegesicht für Zigaretten und die gute alte rote Zeit

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Neue Folgen: Die Theatergruppe Toxic Dreams lässt die Kanzlerlegende auf der Bühne wieder auf die Konsumwelt los - im charmanten Format einer Sitcom mit Konservenlachern und Studiopublikum. Die neuen Folgen sind im Wiener WUK zu sehen.

Eine Sitcom also, eines jener Unterhaltungsprodukte des vorigen Jahrtausends, die man heutzutage nur noch in Ausnahmefällen ironiefrei betrachten kann: Es hat schon seinen Sinn, dass sich die Theater- und Performancegruppe Toxic Dreams, die schon jedes erdenkliche Thema von Weltausstellungen bis russischen Faschisten in kluge, witzige Theaterformate gepackt hat, dem Genre derzeit mit der gebotenen Mischung aus Präzision und Blödelei widmet: Die ersten Folgen von „The Bruno Kreisky Lookalike“ kamen im November auf die Bühne, ein amüsanter Abend, der so tat, als wäre er die Aufzeichnung einer Multi-Camera-Sitcom über einen langweiligen Versicherungsmakler, der dank seiner Ähnlichkeit mit der Kanzlerlegende von einer findigen Werbeagentur als Testimonial für Putzmittel bis Israel-Urlaub vermarktet wird. Ein bisschen politischer Schmäh, ein bisschen Konsumkritik, vor allem aber eine wunderbar alberne Persiflage eines Fernseh-Drehs.

Das sind auch die Folgen vier bis sechs, die gerade im WUK zu sehen sind: Toxic-Dreams-Mastermind Yosi Wanunu gibt den Regisseur/Aufnahmeleiter, der betont lapidar durch die Szenen führt, inklusive „Was bisher geschah“-Recap, Prolog und Erkennungsmusik. Auf der Guckkastenbühne hinter ihm werden Wände herumgeschoben, Darsteller nehmen ihre Positionen ein, er erzählt jüdische Witze und blödelt mit dem Team (und dem Publikum, das ja auch Teil der Sitcom ist). Dem Tempo der Produktion tut das nichts an: Eine Szene nach der anderen erzählt von den Nöten und Triumphen des Mannes mit dem inneren Kreisky (Markus Zett), der in seiner neuen Rolle voll aufgeht und sich jetzt auch für Zigarettenwerbung und politische Reden vor rotem Hintergrund hergibt – also alles, was die gute alte Zeit beschwören kann, in der Laster und die Sozialdemokratie noch geschätzt waren. Zugleich versucht er, sein altes langweiliges Ich zu unterdrücken und erzählt stolz seiner Therapeutin: „I’m closeted!“

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Die (Anat Stainberg) nutzt seine Verwandlung indessen als Blaupause für ihren neuen Kampfruf als Motivationscoach: „Don’t be you!“ Und die Werbeagentur, die mit ihm gutes Geld macht, laboriert weiter an absurden Spots und Slogans: Herrlich, wie Anna Mendelssohn die schrille Werbechefin spielt, der die Arbeit körperliches Vergnügen zu bereiten scheint. Wie im ersten Teil schon spotten Toxic Dreams liebevoll über Political Correctness und Archetypen, dazu kommen verspielt präsentierte Überlegungen über Privilegien und Moral.

Pannen und Lachspur

Die durchgehend englischen Dialoge (die Sendung präsentiert sich als Produktion von „Njetflix“, der internationalen Comedysparte des russischen TV) sind rasant und betont plakativ, weidlich wird das Potenzial jeden Witzes mit Variationen für verschiedene Märkte ausgewalkt, genüsslich spielen die Darsteller mit den Brüchen in der Dynamik, die passieren, wenn Pannen und Fehler alle ein bisschen aus dem Konzept zu bringen scheinen. Und als Publikum freut man sich, Teil eines „authentischen“ Sitcom-Produktionszirkus zu sein, dem man (fast) glauben kann.

Apropos authentisch: Die bemühtesten Pointen im Dialoggewitter werden von einer Audiospur aus den Lautsprechern belacht, die genuin komischen Momente dazwischen vom Publikum. Seriöser Spaß, das sei es, was Toxic Dreams antreibt, sagte Wanunu der „Presse“ einmal. Popkultur trifft auf ernst gemeinte Theaterkunst. „It’s a sitcom. Don’t expect anything meaningful“, sagt er hier mit viel Gelassenheit zum Live-Publikum, das im scheinbar Seichten schon auch Tiefgründiges zu entdecken vermag. „Cheap entertainment.“

Toxic Dreams:  „The Bruno Kreisky Lookalike. Episode 4-6“ ist noch bis 4. Mai im Wiener WUK zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)

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