Anna Badora trotzt der Krisenstimmung

Einmal sollte es nur ums Programm gehen: Anna Badora (3. v. l.) bei ihrer letzten Spielplanpräsentation.
Einmal sollte es nur ums Programm gehen: Anna Badora (3. v. l.) bei ihrer letzten Spielplanpräsentation.APA/ROLAND SCHLAGER
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Die scheidende Intendantin bestreitet ihre letzte Spielzeit mit Doderer, Brecht und David Schalko.

Leicht hat es Anna Badora ja nicht. Als Intendantin des Volkstheaters sei sie in einem Teufelskreis gefangen: Von den Medien werde das Haus ständig „in die Krise geredet“, wodurch auch noch dem wohlgesonnenen Publikum der Theaterbesuch madig gemacht werde, beklagte sie am Mittwoch vor Journalisten. Die Debatte um schlechte Auslastung, Unterfinanzierung, die schleppende Sanierung und die schwierige Suche nach einem Nachfolger habe schon Besucher, die das politisch-progressive Programm eigentlich schätzen, vertrieben, die halb vollen Säle würden die Krise dann bestätigen. Bei Badoras fünfter und letzter Spielplanpressekonferenz sollte sich daher alles nur um die Kunst drehen. Der kaufmännische Leiter, Cay Stefan Urbanek, saß gar nicht erst auf dem Podium – auf Anfrage erklärte Badora, Urbanek habe im Interview mit dem „Kurier“ eh schon alles gesagt, was zu sagen sei (Ende April hatte er dort u. a. erklärt, dass der Umbau mit Jahreswechsel wirklich beginnen und das Budget dafür, 27,3 Millionen Euro, reichen werde).

Der Spielplan also: Eröffnet wird die Saison im Herbst mit „Die Merowinger oder Die totale Familie“. Franzobel hat den Doderer-Roman, der sich um Wut, ihre Schürung und ihre Beseitigung dreht, bearbeitet, Badora selbst inszeniert. In der zweiten Premiere, „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ nach dem Roman von Horace McCoy, wird ein Tanzmarathon zur Metapher für Selektion, Selbstausbeutung und den Kampf um Aufmerksamkeit. Auch ein Brecht („Der gute Mensch von Sezuan“ unter der Regie von Robert Gerloff), ein Ibsen („Peer Gynt“, inszeniert von Viktor Bodó) und eine deutschsprachige Erstaufführung („Wer hat meinen Vater umgebracht“, inszeniert von Christina Rast nach dem autobiografischen Essay von Édouard Louis) werden noch im Haupthaus gezeigt.

Ab Jänner zieht das Volkstheater dann in die Halle E des Museumsquartiers, erste Produktion dort ist eine Adaption von David Schalkos Roman „Schwere Knochen“ über einen Wiener Unterweltbaron (Regie: Alexander Charim). Auch das seit der „Proletenpassion“ eingespielte Gespann aus Christine Eder und Eva Jantschitsch alias Gustav steuert wieder eine musikalisch-politische Revue bei, diesmal „Schuld und Söhne“ über „Genderwahn“ und „toxische Männlichkeit“. Die Produktionen aus dem Haupthaus wandern mit, für 800 Zuschauer soll in der Halle E vier Monate lang ein Repertoirebetrieb aufrechterhalten werden.

Der Gurkenkönig im Gemeindebau

Abseits der Innenstadt bleibt das Theater mobil. Eine Volx/Margareten-Produktion führt anhand der Figuren von Christine Nöstlinger durch Wiener Gemeindebauten: „Haummas net sche?“ von Nestroy-Preisträgerin Sara Ostertag, mit Musik von u. a. Viech-Sänger Paul Plut. Weiters auf dem Programm stehen Kafkas „In der Strafkolonie“, und mit „Urfaust/FaustIn and out“ ein Theaterwettstreit zwischen Goethe und Elfriede Jelinek. Durch die Bezirke tourt das Volkstheater mit David Lindsay-Abaires „Die Reißleine“ über einen erbitterten Platzkampf im Altersheim, gefolgt von „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“, Grillparzers „Weh dem, der lügt“ und Becketts „Warten auf Godot“.

Mit diesem Programm bleibe sie ihrer Linie treu, sagte Badora, und führte aus: klare politische Statements, viele internationale, viele weibliche Regisseure und ein Angebot für neue Publikumsschichten. Das habe sie zuletzt mit „lächerlich geringem Budget“ (16 Millionen Euro) umgesetzt – dass es nun anlässlich der Bewerbungen für ihre Nachfolge hieß, das Haus sei mit dem aktuellen Budget gar nicht vernünftig bespielbar, wertet sie als „verquere Form der Anerkennung“. Nur: Allzu viel Publikum hat Badora mit ihrem Programm tatsächlich nicht anlocken können, bei 52,4 Prozent lag die Auslastung im Vorjahr. „Wir erwarten keine Wunder in dieser Situation“, erwiderte sie auf Fragen nach den aktuellen Zahlen. Stichwort: Teufelskreis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2019)

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