Béjarts „Kabuki“ eint Japans Ästhetik mit jener Europas

„The Kabuki“
„The Kabuki“(c) Staatsoper Wien
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Das Tokyo Ballet präsentiert eine nach wie vor faszinierende Kreation aus dem Jahr 1986.

Isolierte, mechanisch wirkende Bewegungen zu Disco-Musik, eine Videoleinwand, von der junge Leute magisch angezogen werden: Der Einstieg in Maurice Béjarts „The Kabuki“, seine Auseinandersetzung mit der gleichnamigen traditionellen japanischen Bühnenkunst, mit der das Tokyo Ballett bis heute (4. Juli) gastiert, überrascht.

Ein plötzlich auftauchendes Samuraischwert aber stoppt den modernen Sog und zieht uns in eine 300 Jahre alte Geschichte über herrenlose Samurai, Ehre, Verrat, Mord und rituelle Selbstmorde. „The Kabuki“ besticht seit der Uraufführung (1986) durch die Symbiose aus dem Bewegungsvokabular des klassischen Balletts und historisierend-japanischen Stilelementen.

Wenn Tänzerinnen in Spitzenschuhen Arabesken vollführen, dabei aber die Hände stark abwinkeln und den Kopf schief halten oder später durch Kimonos in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt agieren, fließen zwei Ästhetiken ineinander.

Zu Toshirō Mayuzumis Musik, von Bambusflöten und gezupften Klängen dominiert, kommen ohrenbetäubende Klanghölzerschläge. Mag die Handlung für Europäer verwirrend wirken, die Faszination einer gänzlich anderen Ästhetik, die eben gerade durch die Verbindung mit dem klassischen Ballett näher herangeholt wird, steht an diesem Abend über allem.

Wenngleich die Solisten Mizuka Ueno und Dan Tsukamoto in beiden Techniken beeindrucken, wird offenbar, dass die Schwerpunkte andere sind als bei hiesigen Compagnien. Gemessen an unseren Sehgewohnheiten mangelt es an Präzision und Geschmeidigkeit. Jedoch beeindrucken außergewöhnlich starke Akzente und kraftvoller Tanz, vor allem im imposanten Schlussbild, in dem 47 Tänzer in strengen Formationen und ausdrucksvollen, kampfähnlichen Bewegungen an den rituellen Selbstmord erinnern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2019)

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