"Die Pappenheimer": Franzobel misslingt ein Bankraub

Pappenheimer Franzobel misslingt Bankraub
Pappenheimer Franzobel misslingt Bankraub(c) Schauspielhaus /Alexi Pelekanos
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Die Uraufführung von „Die Pappenheimer“ bleibt harmlos und seicht. Mit dem Fall Anna O. aus der Psychoanalyse hat dieses „Volksstück“ wenig zu tun.

Wer so produktiv ist wie der österreichische Autor Franzobel, läuft Gefahr, immer wieder Mal einen schwachen Text zu schreiben. Dazu zählt leider auch „Die Pappenheimer oder Das O der Anna O.“ Weder die übermütige Regie Jan-Christoph Gockels noch einzelne gediegene schauspielerische Leistungen konnten dieses Auftragswerk einer Bank retten. Am Donnerstag wurde es im Wiener Schauspielhaus uraufgeführt – nach einigen exklusiven Voraufführungen am Originalschauplatz, der neuen Zentrale eines Geldinstituts in Wien Alsergrund. Diese Anna O. aber ist eine Null geblieben. Nicht einmal ordentliches Theater kann die Finanzwelt heutzutage also jenseits ihres eigentlichen Kerngeschäftes machen.

Der Grund für das Auftragswerk: Am neuen Sitz der Bank wohnte von 1878 bis 1881 Bertha Pappenheim, die als Anna O. in der Psychoanalyse weltberühmt wurde. Die spätere Gründerin des Jüdischen Frauenbundes war erst eine Patientin von Josef Breuer, dann von Sigmund Freud, ein Paradefall der Hysterie. Sie hat laut Freud die „Redekur“ erfunden. Franzobel konzentriert sein Stück nun im mittleren Teil auf die Behandlung Berthas (Nicola Kirsch) durch Breuer (Ingo Tomi) in der Zeit, als ihr Vater (Vincent Glander) im Sterben lag und ihre Mutter (Veronika Glatzner) eine frustrierte Dame der Gesellschaft war.

Ein missglückter Einbruch

Umrahmt wird diese nicht besonders packend umgesetzte Episode von einer seltsamen Krimihandlung, der man die Mühen des Auftragswerk anmerkt: Glander ist hier ein Bankdirektor, der mit Glatzner als Sekretärin ins eigene Institut einbricht, um herauszufinden, was ein Kommissionsbericht über Bertha Pappenheim ergeben hat. Der Einbruch misslingt. Ein Wächter, der vor seiner Entlassung steht und mit Benzin hantiert, stöbert sie auf. Statt seichter Dialoge plattes Terzett. Tomi macht aus seinen verbitterten Nachtwächter-Monologen offenbar Stegreif-Theater – aus dem Wortschwall Franzobels bedient er sich nur gelegentlich.

Zu allem Überfluss gibt es noch die Einmischung eines Herren aus der Kommunikation der Bank (Matthias Schweiger). Bieder und mit Flipcharts erklärt er dem Publikum, das auf der Bühne sitzt (eine Pawlatschen-Bühne wurde im Parkett aufgebaut), die Eröffnung der Zentrale und das Drama. Franzobels Figuren seien „Sozialkarikaturen“ eines Volksstücks, sagt er in einer Intervention nach dem missglückten Einbruch. Eine Schutzbehauptung. Karikaturen, ja – aber Volksstück oder gar Zauberstück?

Diesmal wurde von dem sonst oft so fantasievollen Franzobel nicht gezaubert, sondern gehudelt. Der Text scheint nicht besonders durchwirkt, ist peinlich beim Versuch, in die Kunst der Traumdeutung einzudringen. Etwa, wenn der Vater seine pädophilen Neigungen mittels metaphorischer Zaunerstollen enthüllt. In der Darstellung der Hysterie und weiblicher Berechnung wirken die Schauspielerinnen überzeugend, die Darsteller sind als Banker, Vater, Arzt und Nachtwächter jedoch durchaus überspannt. 100 Minuten Kunterbuntes waren eindeutig zu lang. Nicht einmal die eingestreuten Gesangsstücke und Musik aus der Konserve bewirkten Linderung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2010)

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