Die Liebesgeschichte von Arendt und Heidegger

(c) Theater Nestroyhof
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Savyon Liebrechts "Banalität der Liebe" ist seit Dienstag im Wiener Nestroyhof zu sehen. Michael Gruner hat klug und einfallsreich inszeniert. Das Ensemble ist ausgezeichnet, speziell Gruners Gattin Juliane.

Elfriede Jelineks „Totenauberg“ über die Lovestory der Philosophen Hannah Arendt (1906–1975) und Martin Heidegger (1889–1976) erschien 1991. Manfred Karge inszenierte die Uraufführung im Akademietheater mit Therese Affolter und Martin Schwab. Das Stück war kein Erfolg – obwohl es dem komplexen Fall besser gerecht wird als „Die Banalität der Liebe“ von Savyon Liebrecht, 2007 am Theater Bonn uraufgeführt und seit Dienstag im Wiener Nestroyhof zu sehen. Liebrecht, 1948 in München geboren und in Israel aufgewachsen, ist dort eine Bestsellerautorin. Der Titel ihres Stücks spielt auf Arendts Buch „Die Banalität des Bösen“ (1963) an, das ihre Beobachtungen beim Prozess gegen den Organisator des Holocaust, Adolf Eichmann, resümiert, der 1962 in Israel hingerichtet wurde.

Aus heutiger Sicht sind Arendts Urteile so klar und richtig, dass man die damals durch das Buch ausgelöste heftige Kontroverse schwer nachvollziehen kann; während das Geschwätz vom Eigentlichen, das der Philosoph hervorbringt, ihn nur selbst entlarvt: Schon wieder einer, der um seine Involvierung ins Dritte Reich herumredet – Heidegger war Parteimitglied und 1933 nach der NS-Machtergreifung kurzzeitig Rektor der Universität Freiburg. Die einflussreiche Position Heideggers – der u.a., sehr vereinfacht gesagt, offenes Denken propagierte – bleibt in Liebrechts well-made play undeutlich, seine Person wirkt reduziert. Trotzdem ist es eine sehr gute Aufführung. Gezeigt wird Arendt als junge Studentin, deren große Liebe der verheiratete Professor Heidegger ist, der sich von seiner Frau nicht trennen will und selbst seine Geliebte als „Jud“ apostrophiert. Die vertrackte Lovestory der zwei hat Liebrecht glänzend beleuchtet, Feministinnen werden ihre Freude haben.

Weitere Ebenen des Stücks sind Arendt nach der Flucht vor den Nationalsozialisten in New York; der Sohn ihres Jugendfreundes besucht sie, gibt sich nicht zu erkennen und interviewt sie. Arendt trifft auch noch einmal den alten Heidegger. Mittellos, verhärtet sucht er Arendt auf, um sich von ihr bei seiner Entnazifizierung helfen zu lassen. Sie liebt ihn noch immer, aber der geistige Bruch ist nicht mehr zu kitten...

Einfallsreiche Inszenierung

Michael Gruner hat klug und einfallsreich inszeniert. Das Ensemble ist ausgezeichnet, speziell Gruners Gattin Juliane als kantige, immer selbstbewusster werdende Hannah Arendt. Heidegger wird von zwei Personen gespielt: Christian Higer gibt den jungen karrieregeilen Philosophen, Hans Diehl den entgeisterten, sturen Alten. Spannend ist, was Patrick Jurowski – er spielt Arendts Jugendfreund und dessen Sohn – über Israel erzählt: von der deutschen Community, die Goethe liest und von der verlorenen geistigen Heimat träumt, trotz Holocaust; vom Zorn junger Menschen auf vermeintliche Verräter wie Arendt und Co. Neuerlich empfiehlt diese Aufführung voll schlagfertiger Dialoge den Nestroyhof, in dem einst ein jüdisches Theater war, als Ort, wo in künstlerisch attraktiver Weise Vergangenheit und Gegenwart erforscht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2011)

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