„Wir Staatskünstler“: Kabarett, das Niko P. (nicht) gefällt

(c) APA/INGO PERTRAMER (INGO PERTRAMER)
  • Drucken

Ein gutes (post-)politisches Kabarett, das auch das Fernsehen beißen will, das es ausstrahlen wird und virtuoses Spiel mit dem, was die alten Linken „repressive Toleranz“ nannten.

Die Szene, in der ORF-General Alexander Wrabetz im rosa Gummikleid in der strengen Kammer der Laura Rudas hängt, die wird doch niemand für die ORF-Sendung herausgeschnitten haben?

Das fragt nicht der Rezensent. Das fragt Thomas Maurer, einer der drei „Staatskünstler“, in deren Kabarettprogramm, das am Dienstag Premiere im Wiener Rabenhof hatte. Teile davon werden im ORF laufen, immer Donnerstag nach 23 Uhr.

Auch die geschmacklose Szene mit Wrabetz? Moment: Die Szene kam ja gar nicht vor, nur der Satz über ihre mögliche Zensur. (Die verständlich wäre: Kein Fernsehdirektor würde sich im eigenen Sender im rosa Gummikleid sehen wollen.) Wird er einer tatsächlichen Zensur zum Opfer fallen? Man wird sehen. Im Fernsehen.

Was darf man über Faymann sagen?

„Wir Staatskünstler“ ist nicht zuletzt ein virtuoses Spiel mit dem, was die alten Linken „repressive Toleranz“ nannten. Mit Autoritäten, die sich gütig geben: Selbstverständlich seien sie für jede Kritik offen. Das reizt den Kritiker: Wie weit kann er wirklich gehen? Was ist gerade nicht mehr erlaubt? Und ist eine Autorität, die sich alles gefallen lässt, nicht auf tückische Weise unangreifbar?

Im Programm von Maurer, Palfrader und Scheuba verkörpert Nikolaus Pelinka, Vertreter der SPÖ im ORF-Stiftungsrat, dieses Dilemma. Das heißt: nicht er selbst, er saß bei der Premiere im Publikum und machte gute Miene. Sondern Nicholas Ofczarek, der ihn spielt, in einer gar nicht netten Parodie. Mit schwer überzeichnetem Sprachfehler lobt er die Sendung überschwänglich, hat aber dabei einige Verbesserungsvorschläge einzubringen, auch von seiner Kollegin Laura Rudas (gekonnt görenhaft: Claudia Kottal), die sich halt so sehr wünschen tät', dass Werner Faymanns Erfolge positiv erwähnt werden...

„Man kann über den Faymann sagen, was man will, aber das mit den Autobahnen war in Ordnung“, sagt Maurer. Ist das geschmacklos? Und wieso (nicht)? Kann man sagen, was man will? Geht es an, Hansi Hinterseer (virtuos gespielt von Palfrader) als Gicht und H.-C.Strache (hintergründig: Maurer) als Autoimmunkrankheit der österreichischen Gesellschaft zu bezeichnen? Darf man beide als Übertreibungskünstler in der Tradition Thomas Bernhards sehen? Wie schafft man „einen §188“ (Herabwürdigung religiöser Lehren)? Durch Scherze über Mariä Empfängnis? Oder doch besser durch Besudeln eines Bankomaten am Einkaufssamstag in der Lugner-City? Und einen „klassischen 248er“ (Herabwürdigung des Staates)? Durch Bekleben einer Österreich-Fahne mit einem „Österreich“-Logo? Aber wo sitzt denn der Kritiker von „Österreich“?

In der Villa von Bernhard, Heller, Turrini

Das Programm „Wir Staatskünstler“ kann solche Fragen aufwerfen, weil es geradezu verzweifelt selbstironisch ist. Es spielt in der von André Heller, Thomas Bernhard und Peter Turrini übernommenen „Staatskünstler-Villa“ („Heller kommt noch manchmal vorbei, er macht den Garten“); ein Österreich-Schüttbild ziert die Szenerie; die Herren tragen Dreiteiler, trinken Champagner, selbstverständlich den gleichen wie einst Gusenbauer mit Chirac. Es beginnt mit einer virtuosen Publikumsbeschimpfung, wie man sie sich von als Staatskünstler getarnten „Nestbeschmutzern“ erwartet („Kleinformate“, „Kellernazi“, „Dollfußgrunzer“, „Kuttenbrunzer“) und der Feststellung: Der satte selbstgerechte Bürgertrottel im Publikum solle doch ein kleines bisserl verhöhnt werden...

Wird er natürlich nicht. Weil er nicht im Rabenhof sitzt. Auch nicht um halb zwölf in der Nacht vor dem TV-Gerät. Oder doch? Warum sitzt er immer dort, wo man nicht ist? Es ist ein Jammer. Am besten, man flüchtet in die Realität und präsentiert (von Journalisten zur Verfügung gestellte) Originaldokumente. Etwa eines, in dem der Mann, dessen Weg von der Tankstelle über den FP-Klub bis vor Gericht geführt hat, Recherchen über Potenzmittel in einer Honorarnote anführt.

Ja, das alles ist gutes politisches, post-politisches Kabarett. Wer das nicht findet, bekommt zum Schluss einige Verrissmuster serviert. Wir verzichten freiwillig darauf, diese Vorlagen auszuschneiden.

„Wir Staatskünstler“

Ein All-Star-Trio der österreichischen Kabarettszene: Florian Scheuba war zuletzt mit dem Programm „Unschuldsvermutung“ erfolgreich, Thomas Maurer hat mit „Out Of The Dark“ bereits ein Best-of präsentiert, Robert Palfrader ist einem breiten Publikum als „Kaiser“ bekannt.

Im Rabenhof läuft „Wir Staatskünstler“ heuer noch am 28. und 30.11. sowie am 10., 15., 17., 27. und 28.12. Dazu gibt es Termine für die TV-Aufzeichnungen. Weitere Daten und Info: www.rabenhoftheater.com

Der ORF zeigt das Politikkabarett ab 1.12. jeden Donnerstag um 23.35 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Bühne

„Wir, Staatskünstler“: Ein Sonderfall von „Gutmensch“

Das politische Kabarett mit Palfrader, Scheuba und Maurer soll Dokumente ans Licht bringen – und gegen die Stimmung wirken, dass „eh alle Verbrecher sind“. Auf der Bühne und im ORF.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.