Peter Handkes stille Tage im schönen Klischee

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Luc Bondy inszeniert im Akademietheater für die Wiener Festwochen „Die schönen Tage von Aranjuez. Ein Sommerdialog“ von Handke. Ein netter Versuch, Beschreibungsnot mit wirkungslosem Instrumentarium zu lindern.

Friedrich Schiller nennt „Don Karlos. Infant von Spanien“ ein dramatisches Gedicht. Der Beichtvater des Königs, der Karlos aushorcht, beginnt die erste Szene im königlichen Garten: „Die schönen Tage in Aranjuez / Sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit / Verlassen es nicht heiter. Wir sind / Vergebens hier gewesen. Brechen Sie / Dies rätselhafte Schweigen. Öffnen Sie / Ihr Herz . . .“ Die Form deutet auf ein Gedicht hin, die Szene ersehnt eine Idylle, doch was in 5365 Versen folgt, ist pure Dramatik, eine rasende Verschränkung von Intrigen, Liebeshändeln, Staatsaktionen, Rebellion und Reaktion. Eine gute Aufführung des „Karlos“ verlässt man nicht heiter, sondern bewegt und bereit zum Aufstand.

Der Dichter Peter Handke situiert sein neues Stück „Die schönen Tage von Aranjuez. Ein Sommerdialog“ auch in einem Garten. Ein Mann horcht eine Frau aus. Es geht um Liebe, ihre Initiation, den Drang nach Erfüllung und die Einsicht, dass es nichts zu verstehen gibt zwischen Mann und Frau. Der durchwegs feierliche Ton deutet auf den Versuch eines Prosagedichtes hin. Ein Drama aber ist der siebzig Seiten lange Text nicht, sondern ein elegischer Abgesang. Aus ihm hat Luc Bondy bei der Uraufführung im Akademietheater am Dienstag eindreiviertel Stunden gemacht, die leider nicht aufwühlen, sondern rasch ermüden. Diese Inszenierung ist im besten Fall ein nett gemeinter Versuch, die hehre Sprache des Dichterfreundes in bunten Bildern umzusetzen.

„Ganz dumme und läppische Prosa“?

Böswillige werden aber auch die Entblößungen sehen. Zwei Senioren stellen höchste Ansprüche, die sie aber unfreiwillig als Klischees entlarven. Regie? – Mätzchen, wenn man beim Entschlüsseln des Textes nicht weiterkommt. Dichtung? – eine Serie von literarischen Anspielungen, in die man ein „Ach!“ oder ein „hinieden“ einbaut, wenn der Redefluss des Klassikers versiegt. Woran kranken „Die schönen Tage von Aranjuez“, die sich hinterm warmen Ofen in einer Winternacht so apart gelesen haben und jetzt im Akademietheater enttäuschen? Jugendlich gemein könnte man sogar Beschreibungsimpotenz konstatieren. Die Alten kriegen ihre Federn einfach nicht mehr hoch, verwenden Nietzsche oder The Troggs als Aphrodisiakum. Ganz dumme und läppische Prosa wurde hier von Bondy mit einem überkommenen Instrumentarium in Szene gesetzt. Aber so leichtfertig wie Handke (aus dessen Attacke von 1966 auf das Establishment der Gruppe 47 obige Kursivierungen stammen) sollte man diese Uraufführung nicht verurteilen. Selbst das Scheitern hat Niveau.

Es beruht auf Missverständnissen. Der „Sommerdialog“ ist kein Zwiegespräch, sondern ein Sprachspiel, das vorführt, wie wenig sich diese beiden Figuren zu sagen haben. Sie sind zu zweit allein. Niemals wird dieser Mann, der die Frau zum Reden über ihr Innerstes bringen will, der die Widerstrebende mehrfach auf die Bühne zurückzerrt, erfahren, was Liebe für sie bedeutet. Er verfängt sich mit seinen Fragen in Äußerlichkeiten. Die werden dadurch im Kontrast zu ihrer Rede zum Klischee, gerade dann, wenn er bemüht ist, zu erkennen, was Schönheit sei – im Beschreiben der Natur, des Gartens. Der Mann ist ein Spießer, ein Wortaufspießer, der die Frau nicht erkennt. Was aber macht Bondy daraus? Er reagiert hektisch, lässt kein klärendes Schweigen zu. Viel zu überhastet wird inszeniert. Anstatt Worte zum Klingen zu bringen, weist Bondy Dörte Lyssewski und Jens Harzer zu absurden Handlungen in schrägen Verkleidungen an.

Die Kunst beißt sich in den Schwanz

Lyssewski eröffnet im schwarzen Kleid mit weißer spanischer Halskrause, Harzer in Unterwäsche, später als Pop-Barde, als Federball spielender Dandy, als Prärieindianer mit riesigem Kopfschmuck (Kostüme: Eva Dessecker). Lyssewski muss ständig an ihren Schuhen nesteln, angebliche Beichten über erste Erfahrungen ablegen, posiert, plappert einfach los, tut das Ihre, als wundere sie sich über eine fremde Sprache. Harzer hingegen, der den Text durchknetet, zu Sinn formt, muss immer wieder in Ironie flüchten. Die verträgt sich aber nicht mit Handkes Pathos.

Eine poetologische Stelle, die die „Dichtkunst“ des Horaz verfremdet, hat Bondy leider ignoriert: „Ut pictura poesis? Ut poesis musica? Ut musica pictura?“ Denkste! Die Kunst beißt sich in den Schwanz. Bondy greift zu allem Überfluss auch noch auf dramatische Hilfsmittel zurück, die den Text überinterpretieren. Huschende Tiere, Grillenzirpen, Vogelgekreisch, Spielereien mit einer Spraydose, mit Sekt. Fast schon am Schluss hört man Schüsse. Harzer bespritzt sein Hemd mit Theaterblut. „Eine kleine Aktion darf sein“, zitiert er Handke. Jetzt sind wir also auch noch postdramatisch.

Sogar Postimpressionismus darf sein. Da taucht ein schaukelndes Mädchen aus dem roten Theatervorhang auf, der hinten auf der Bühne als Diagonale einen imaginären Zuschauerraum verbirgt. Die Schauklerin hinieden, ach! Die ist das Leben, das der Einsame hier erschnuppert. Vorn gibt es ein Tischchen, Gartensessel, ein Häuschen, eine E-Gitarre, eine Schiene, Bergpanoramen und andere schmucke Requisiten. Die Bühne hat Amina Handke gestaltet. Schön.

Termine im Akademietheater: 23., 24., 26., 27. Mai, 1., 2., 5., 7. Juni, 20 Uhr.

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