Klassentreffen in Berlin

Der Mai ist der Monat der Medientagungen. Während in Wien der Newspaper Congress stattfindet, trifft sich die Internetgemeinde in Berlin bei der Re:publica.

Jedes Jahr das selbe Szenario: im Mai ist der Terminkalender voll mit Medienpreisen und -tagungen. Das liegt in erster Linie am Tag der Pressefreiheit (3. Mai). Der wird in Österreich stets mit Preisverleihungen (Concordia Preise) und Verlegertagungen (VÖZ) begangen, während uns Reporter ohne Grenzen daran erinnert, wie gut es Journalisten in unseren Breiten im Vergleich zu anderen Ländern geht.

Danach folgt nahtlos der European Newspaper Congress. Auch heuer sind ab 5. Mai einige hundert Journalisten aus ganz Europa in Wien und sprechen über Zukunftstrends der Branche. Wobei man sagen muss: Die Themenvielfalt der letzten Jahre lässt etwas zu wünschen übrig. Auch heuer wird wieder über Tablet-Trends gesprochen und u.a. "Die Zeit" vorgestellt. Als ob es da noch viel zum Vorstellen gäbe. Das spannendste Panel dürfte jenes am Montagvormittag werden, bei dem "Welt"-Chefredakteur Jan-Eric Peters, "FAZ"-Geschäftsführer Tobias Trevisan mit Ex-"Presse"-Chef Michael Fleischhacker und "Kurier"-Chef Helmut Brandstätter darüber diskutieren, wie sich Medienhäuser in Zukunft finanzieren werden. Gerne hören würde ich auch den Vortrag von Emily Bell, Professorin an der Columbia Journalism Graduate School in New York, über das Ende der Nachrichtenindustrie und ihre These, was danach kommt. 

Montag ist Österreicher-Tag

Allerdings werde ich da schon auf dem Weg nach Berlin sein, wo am Montag das Klassentreffen der Internetgemeinde, die Re:publica beginnt. Erfreulich, dass auch einige Österreicher auf der dreitägigen Digitalmesse vortragen: Digital-Stratege Yussi Pick erzählt Montagnachmittag, was wir von den USA-Wahlkämpfen lernen können und die beiden Wiener Kommunikationswissenschaftler und Autoren der ersten Twitter-Politik-Studie Axel Maireder und Julian Ausserhofer analysieren ein paar Stunden später das Verhältnis von Twitter und Politik. Jus-Student Max Schrems spricht am Mittwoch über seinen Datenschutz-Kampf gegen Facebook.

Dass Sascha Lobo auch heuer wieder einen Überraschungsvortrag halten darf, spricht für sein hervorragendes Verkaufstalent, aber auch dafür, dass sich in der deutschsprachigen Internetgemeinde bisher keine ähnlich schillernde und polarisierende Identifikationsfigur gefunden hat. Neugierig bin ich trotzdem, worüber der Mann mit dem roten Irokesenschnitt und Schnauzbart diesmal sprechen wird. Auf spiegel.de kann man übrigens seinen Vortrag aus dem Vorjahr nachschauen. Weitere prominente Gäste unter den 450 Vortragenden sind u.a.: die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez und die britische Bloggerin und Autorin Laurie Penny (zuletzt erschien die feministische Dialektik "Fleischmarkt", sie wird über "Cyber Sexim" sprechen) und die isländische Piratenpartei-Chefin Birgitta Jénsdóttir - was auf die erfreuliche Tendenz hinweist, dass der Anteil an Frauen unter den Vortragenden bei der Re:publica im siebenten Jahr deutlich gestiegen ist.

Beim Klicken durch das Programm verliert man schnell den Überblick, nicht selten sind zeitgleich mehrere Vorträge, die mich interessieren. Jedenfalls nicht verpassen möchte ich:

* den Doppelvortrag der Kulturwissenschaftler Mercedes Bunz und Dietrich Diederichsen: "Immer dieses Internet" (Mo, 17.30 - 18.30 Uhr., Stage 2)

* Die Diskussion "Ohne Jauch gehts auch" zur Zukunft der Talkshow (Dienstag, 20 - 21 Uhr, Stage 1)

* Die Diskussion "Digital by Default - Digital Natives im Journalismus" mit den Online-Chefs von u.a. Süddeutsche.de, Spiegel.de (Mittwoch, 16.15 - 17.15 Uhr, Stage 2)

Schräg-interessant klingt auch der Vortrag von Politikberaterin Teresa Bücker: "Der Montag liebt dich", die Session von Web-Entwickler Felix Schwenzler: "10 Vorschläge, um die Welt zu verbessern" und der Vortrag über "Cat Memes" von der Social Media Beraterin Kate Miltner.

Zwei Nachlesen zum European Newspaper Congress. Einmal positiv und einmal nachdenklich:

Zuerst zum Positiven: "Die Presse am Sonntag" hat gleich zwei Preise beim diesjährigen Newspaper Congress abgeräumt. Einen für die Jubiläumsausgabe im März 2012, für die Gastchefredakteur Tobias Moretti zuständig war. Und einen in der Kategorie "Alternative Storytelling" für eine Doppelseite über Qualitätsserien, die mein Kollege und Filmkritiker Christoph Huber gemeinsam mit dem Feuilleton gestaltet hat. Gratulation!

Da ich diesmal nicht persönlich dabei war, lese ich mit Spannung Erfahrungsberichte anderer. Gerade ist mir jener eher triste Bericht vom enc13 von Petra Sorge untergekommen, die den Kongress für Cicero-online besucht hat und festgestellt hat, dass die Zeitungsbranche noch im Gestern verharrt. Ihr Vorschlag: Man hätte die Besucher des Newspaper Congress zur Republica schicken sollen und umgekehrt. 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.