American Times: "Homeland" im U-Bahn-Schacht

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Episode 2. Wie amerikanische Serien das New Yorker Stadtbild prägen und warum HBO sich mit seinem Fan-Shop mehr Mühe geben könnte.

In Folge eins meiner kleinen New-York-Serie hab ich ja vollmundig behauptet, die Zeitungen sind aus dem New Yorker Stadtbild verschwunden. Jetzt folgt gleich die nächste - zugegeben, für regelmäßige New-York-Besucher nicht rasend neue - Feststellung zu einem anderen sogenannten "alten Medium": Halb Manhattan ist zur Werbefläche für das Fernsehen geworden. Plakate für die demnächst neu anlaufenden Staffeln von Longtime-Hits wie "Homeland" und neuen Serienwundern wie "Empire" kleben Dutzendfach in U-Bahnschächten, auf Bussen und auf dem Times Square natürlich in Supersize-Größe. Es gibt bewegliche Rollplakate, die an Bus-Stationen oder auch wieder in der U-Bahn-Unterführung im Minutentakt eine andere Serie bewerben. Dort lerne ich, dass die Krankenhaus-Retro-Show "The Knick", die im Manhattan des Jahres 1900 spielt, demnächst ebenso in die zweite Runde geht wie das düstere Mystery-Drama "The Leftovers". Insgesamt ist die Masse an Plakaten allerdings auch ein starkes Indiz dafür, dass die Serien mittlerweile inflationär werden und die goldenen Zeiten des Genres langsam zu Ende gehen. Hier wird auch ganz schoen viel Trash beworben, aber gut.

Full, Fuller, am Fullsten?

Vor wenigen Tagen hatte eine in den USA schon lang erwartete Serie Premiere: John Stamos, vielen wohl noch bekannt als Jessie Katsopolis aus der ABC-Achtziger-Sitcom "Full House", spielt in der Fox-Produktion "Grandfathered" einen Restaurantbesitzer, der mitten in einer ordentlichen Midlife-Krise erfährt, dass er nicht nur Vater, sondern auch schon Großvater ist. Die Produktion kommt aus dem Hause Fox. Sollte die Serie Erfolg haben, wird das auch Netflix freuen. Der Videostreamdienst bringt nämlich schon im Jänner 2016 mit "Fuller House" ein Sequel zu "Full House" heraus, in dem fast alle Schauspieler aus der Originalserie mitspielen. Ein bisschen Publicity für John Stamos kann also nicht schaden. (Meine kleine Prophezeiung: Von Stamos werden wir bald viel hören und sehen, viel zu viel vermutlich.)

Vor allem in den Straßenzügen zwischen Times Square und Rockefeller Center sind die vielen bunten Serienplakate unübersehbar. Weil hier einerseits fast alle großen TV-Sender und Kabelanbieter ihre Büros haben und die Studios der Late Night Shows von Jimmy Kimmel (NBC) und Stephen Colbert (CBS) angesiedelt sind. Andererseits ist das Viertel rund um Times Square und Theatre District gewissermaßen der Unterhaltungs- und Showindustrie gewidmet, beinahe so etwas wie das Westküsten-Gegenstück zu Hollywood - und weil dort außerdem die höchste Touri-Dichte zu verzeichnen ist, erscheinen den TV-Sendern und Kabelanbietern ihre Werbeausgeben hier offenbar besonders gut investiert. Serienschauer oder TV-Kritiker wie mich kann die hohe Dichte an Plakaten durchaus unter Druck setzen. Es gibt noch so viel nach-zuschauen und schon kommen lauter neue Serien auf den Markt. Ein Gefühl, das die Drehbuchautoren der heurigen Emmy-Verleihung im Eröffnungssketch von Moderator Andy Sandberg ganz gut erfasst haben.

Trostloser HBO-Shop

Geht man vom Rockefeller Center ein paar Straßen weiter Richtung Downtown, auf der 6th Avenue fast bis zum Bryant Park, passiert man Linkerhand das Hauptquartier von HBO. Das erkennt man abgesehen vom schmucklosen Eingang auch an dem kleinen Shop, der sich im Erdgeschoss befindet. Also bin ich da natürlich sofort rein mit sehr großen Erwartungen und in der Annahme, jetzt ein kleines Serienparadies zu betreten. Schließlich kommen Klassiker wie "The Wire" und "The Sopranos", aber auch der Fantasy-Verkaufsschlager "Game of Thrones" aus den HBO-Studios. 

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Doch in dem Geschäft setzte sofort große Enttäuschung ein. Erstens ist der Laden überraschend winzig, zudem werden in vier Reihen lieblos Merchandise-Artikel der einzelnen Serien präsentiert, zwei Verkäuferinnen begrüßen Hereinkommende wenig enthusiastisch am Eingang, um sofort wieder ihr Gespräch aufzunehmen. Lieblos sind auch die feilgebotenen Artikel. Die Teetassen, T-Shirts und Sticker etwa von Lena Dunhams Serie "Girls" zieren nur Sprüche der vier Charaktere, aber es gibt kein einziges Produkt, auf dem die Darstellerinnen zu sehen sind. Das selbe gilt für die "Sopranos"-Fan-Ware. Das ist insgesamt sehr unbefriedigend. Überhaupt ist dieses seelenlose Geschäft alles andere als eine gute Visitenkarte für HBO. Eigentlich will man hier nur schnell wieder raus. Es sei denn natürlich, man ist "Game of Thrones"-Fan. Dann kommt man hier durchaus auf seine Kosten. Der größte Teil des kleinen Geschäfts ist der Fantasyproduktion gewidmet. Es gibt Spielfiguren, Puzzle, Kleidungsstücke und Schwerter - eine Freude für Verkleidungsfans. HBO will offensichtlich vor allem mit ihrer aktuell wichtigsten Produktion Kasse machen. Vielleicht weil es weiß, dass das Interesse an der Serie langsam schwindet.

Gemessen an den US-amerikanischen Einschaltquoten wurde sie unlängst von der neuen Serie "Empire" eingeholt. Die Geschichte rund um den früheren Drogendealer Lucious Lyon (gespielt von Terence Howard), der zum erfolgreichen Hip-Hop-Label-Boss aufgestiegen ist und unheilbar krank wird, läuft seit der Vorwoche in der zweiten Staffel auf Fox. Das Finale von Staffel eins hatte Anfang April 23,1 Millionen Zuseher. Das war die beste Einschaltquote für eine Serie seit zehn Jahren. "Game of Thrones" kam bisher "nur" auf 18,4 Millionen.

Apropos, verblassender Ruhm und so. Wer kann sich noch an die Magnolia Bakery erinnern? Jene Bäckerei, die in "Sex and the City" (übrigens auch eine HBO-Produkion) vorkam, war einst die berühmteste Bäckerei Manhattans. Elf Jahre nach dem Ende der Serie kann man dort längst wieder Cupcakes und Cheesecakes kaufen ohne Schlange zu stehen und Selfies vor den Vitrinen machen ohne die Ellenbogen einziehen zu müssen. Es soll sogar Menschen geben, die da einfach nur wegen der Mehlspeisen hineinspazieren und gar nicht wissen, welcher Serie die Bäckerei ihre Bekanntheit verdankt.

Die derzeit erfolgreichste neue Serie in den USA: The Empire.

"Empire" in der U-Bahn.

Plakat für die neue Staffel von "The Knick" an einer Bushaltestelle.

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Busplakat der Miniserie "Heroes reloaded"

Auf dem Bus: "Heroes Reborn".

"The Leftovers" gehen am 4. Oktober in die zweite Runde.

"The Leftovers" am Times Square.

Werbung für die Comedy "Doll & Em", in der sich die britische Schauspielerin Emily Mortimer selbst spielt, also eine erfolgreiche Schauspielerin, die ihre beste Freundin als Assistentin engagiert.

"Doll & Em" in der U-Bahn.

John Stamos war in "Full House" der Onkel der zuckersüßen Michelle Tanner, die abwechselnd von den Zwillingen Mary-Kate und Ashley Olsen gespielt wurden. Nun mimt er in "Grandfathered" einen unfreiwilligen Vater und Großvater. Der Sender Fox setzt diese Saison voll auf diese Serie und bewirbt sie in den Auf- und Abgängen der U-Bahnen...

Die neue Serie "Grandfathered" mit John Stamos läuft seit Dienstag und wird überall beworben.

... ebenso wie in Flugzeugen.

und sogar im Flugzeug.

Zum Abschluss noch ein kleines Post Skriptum für Fans der britischen Serie "Downton Abbey". In einem kleinen Supermarkt in Brooklyn habe ich diese Tee-Dosen entdeckt:

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>> Episode 3
>> Episode 4
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