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Never Ending Tour: Bob Dylan ist wieder auf der Durchreise

(c) REUTERS (KI PRICE)
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Neuerdings am Flügel und oft mit einem Grinsen: Bob Dylan auf Europatournee. Er war schon in Berlin und Dresden, am Samstag tritt er in der Salzburg-Arena auf.

Man sieht ja durchaus nicht nur die modernsten Frisuren bei Bob-Dylan-Konzerten und manchmal auch eine Kopfbedeckung, die fast mottenfrei den Weg aus den Sixties in die Gegenwart gefunden hat. Aber einen Pillbox-Hut: nie. Eine Dame, die ein solches, einst von Jackie Kennedy getragenes Gerät auf dem Kopf balancierte, würde vom Meister auch mit blankem Hohn empfangen: mit dem bösen „Leopard-Skin Pill-Box Hat“ nämlich, dem Song aus dem Jahr 1966, mit dem er seit geraumer Zeit jedes Konzert seiner „Never Ending Tour“ zu eröffnen pflegt.

Auch das in Dresden. Er hat schon die ersten Zeilen gehöhnt, da muss ihn der Hohn selbst genervt haben, vielleicht war's die angenehme Luft im Großen Garten, die anmutige Arena oder was weiß ich was, Bob Dylan wechselte jedenfalls nahtlos in „Watching The River Flow“, der Band war's gleich, und schon waren wir am Fluss, sei's der Mississippi, sei's die Elbe, und im entspannten Fluss dieses sommerlichen Songs...

Immer auf dem Highway 61

Wenn auf eine solche Eröffnung noch eine Überraschung als zweiter Song folgt – diesfalls das kindlich-gescheite „Under The Red Sky“ –, dann weiß der Dylanist schon: Es wird ein besonderes Konzert. Natürlich im Rahmen des längst fixierten Rituals – „Highway 61 Revisited“ als elfter Song, ein „Thank you friends“ plus Bandvorstellung als einzige Worte ans Publikum, keine Verbeugung am Schluss etc. –, aber doch irgendwie inniger als üblich. So folgte auf einen halb verregneten, halb trägen Abend in Berlin das feine Konzert in Dresden. Bei dem man sich u.a. über das dramatische Antikriegslied „John Brown“ freuen konnte, in dem Dylan seine Verachtung über die Orden nur so in die Menge spie. Aber auch über ausgeschlafene „Summer Days“ und ein gar nicht melodisch zerfetztes, nahezu magisches „Visions Of Johanna“. Dylan behandelt ja seine großen Songs mit unterschiedlicher Gnade: Manchmal, etwa bei „Desolation Row“ in Berlin, meistens bei „It Ain't Me Babe“, hat man das Gefühl, dass sie ihm schon ziemlich auf den Geist gehen und er sich halt mit ihnen spielt, weil sie schon da sind; an guten Tagen geht er sie geradezu mit Respekt an.

Neuerdings auch mit Klavier: Die große Novität dieser Europatour ist, dass sich Dylan einen Flügel auf die Bühne stellen lässt und fast die Hälfte der Songs darauf spielt, im lässigen Stil eines spätnächtlichen Bluespianisten. So gibt sich der „song and dance man“, wie er sich einst nannte, als „song and piano man“, das wirkt gar nicht schlecht, und wenn ihm eine originelle rhythmische Wendung gelingt, dann grinst er. Wie er sich überhaupt – bei aller Distanz zum Publikum – ein grimmiges Lächeln zugelegt hat, mit dem er nicht rein freundliche Passagen illustriert, bei „Things Have Changed“ etwa, in dem er programmatisch erklärt, dass er sich früher einmal um die Welt und ihre Missstände gekümmert habe, diese ihn mittlerweile aber eher kaltlassen; wie eigentlich auch die eigene Gemütslage, die eigenen Geschichten, die sich zusehends in alte Zeilen aus Blue und Country auflösen: „I've been walking forty miles of bad road, if the bible is right the world will explode, I've been trying to get as far away from myself as I can.“

Wieso wollen so viele Menschen ihm Jahr für Jahr dabei zuhören und zusehen? Weil er damit noch nicht am Ende ist. „Me, I'm still on the road“, singt er in „Tangled Up In Blue“, das nur geheimnisvoll ist, wenn man es logisch verstehen und alle Personen auseinanderhalten will, „I'm heading for another joint. We always did feel the same; we just saw it from a different point of view.“ Darauf können sich doch zwei, drei Generationen einigen, oder?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2012)

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