Pop

Ernst Molden: „Nick Cave kam mit dem Rohrstaberl“

(c) Magdalena Blaszczuk
  • Drucken

Ernst Molden, Innenstadt-Dandy der frühen Neunziger, ist vom tändelnden Literaten zum reifen Singer/Songwriter avanciert. Mit der „Presse“ sprach er über Fleischhauer, Nick Cave und die Endlichkeit.

Die Presse: Tom Waits wollte als Jugendlicher immer ein alter Mann sein. Wie war das bei Ihnen?

Ernst Molden: Genauso. Ich hatte noch kein Werk, weder ein musikalisches noch ein dichterisches, aber behauptet habe ich, ich sei Künstler und Poet. Die Lektüre von Trakl und Rilke hat mich euphorisiert.

Und dazu trugen Sie Spazierstöcke?

Molden: Ja. Auch das Aussuchen der Anzüge und Spazierstöcke hat Spaß gemacht, letztlich hab ich mir damit aber Feinde gemacht. Gelebtes Dandytum macht dich angreifbar.

Waren Ihre Anfänge als Musiker auch so zeitgeistfern?

Molden: Zunächst ja. Die Wiener Elektronikszene ist Mitte der Neunziger international explodiert – und ich habe mit Reitstiefeln und Westerngitarre deutsche poetische Texte gesungen. Die Szene hat sich seither stark verändert, überdies hat mich meine Familiengründung stark geerdet. Kinder vertragen weder Selbstinszenierungen noch schöne Anzüge. Bis dahin hatte ich vier Romane geschrieben, das wurde mir zu solipsistisch. Ich bin als Sohn eines Vaters aufgewachsen, der eigentlich immer die Türe vor uns zugehabt hat. Meine Jahrhundertwendegroßbürgerkindheit war relativ arm an Nestwärme. Das wollte ich nicht fortsetzen.

Sie haben das Schreiben für die Musik aufgegeben. War das eine richtige Entscheidung?

Molden: Jetzt, wo die österreichische Literatur so boomt, sinniere ich manchmal darüber. Die sind jetzt alle schon um die 40 – und Zyniker in diesem komischen Staffagengeschäft. Hätte ich weitergeschrieben, ginge es mir wohl finanziell besser. Aber seelisch? Die Musik ist zwar ein mühsames Geschäft, macht aber viel mehr Spaß.

Wieso haben Sie ein Album mit Coverversionen eingespielt?

Molden: Begonnen hat es mit einem Gedenkabend für Johnny Cash in der Szene Wien. Für den hab ich den Song „Give My Love To Rose“ auf Wienerisch übersetzt. „Lindschi“ hieß der dann. Da merkte ich, dass mir das leichter von der Hand geht als das Hochdeutsche. Ich brauch' durchschnittlich drei bis vier Monate für einen hochsprachlichen Liedtext, der halbwegs singbar ist. Das Wienerische legt sich hingegen so richtig auf die Melodie. Und was das Internationale anlangt, ist mir jetzt eh schon alles egal. In Berlin wurde ich auch mit meinen hochsprachlichen Texten als eine Art Ethnomusik rezipiert.

Hat Ihr Gesang internationale Vorbilder?

Molden: Ich mag Sänger, die eine ungenügende stimmliche Grundausstattung haben und etwas daraus machen. Also Bob Dylan in seiner mittleren und in seiner aktuellen Phase, Tom Waits, Nick Cave und die beiden Morrisons, Van und Jim.

Sie waren Student in der Nick-Cave-Klasse an der Schule für Dichtung. Wie war das?

Molden: Wir waren sechs Typen und sechs Frauen. Cave betrat die Klasse und stellte sofort Lee-&-Nancy-Pärchen zusammen. Er kam mit einem Rohrstaberl, hatte ein rosa Westerl an. Damals war er ziemlich fertig. Er kam frisch aus der Drogenklinik, seine Freundin P.J. Harvey hatte ihn gerade verlassen. In dieser seelischen Aufruhrstimmung fuhr er nach Wien und da fiel ihm auf, dass er agierte wie sein Vater, der Literaturlehrer war. Ein weiterer Schock für ihn! Cave war streng, spielte ein Weltuntergangspiano und lehrte uns, dass das Liebeslied die absolute Königsdisziplin ist.

Und Sie schreiben nun unter anderem Lieder namens „Fleischhauer“! Was war der Anlass?

Molden: Der Widerstand eines albanischen Fleischhauers in der Markthalle. Bei dem ist schon alles mit Pappe zugeklebt, aber man kommt noch irgendwie über eine Stiege hinauf zu ihm. Er macht einfach weiter. Das Zusperren der Markthalle ärgert mich ungemein. Das ist einer von drei Sündenfällen der von mir nicht prinzipiell abgelehnten Wiener SPÖ. Die anderen beiden sind der Bau der Lobau-Autobahn und das Verschachern der Szene Wien.

Woher kommt die elegische Grundstimmung in fast allen Ihren Songs?

Molden: Aus mir heraus. Ich bin der glücklichste Mensch der Welt mit meiner Melancholie. Ich hab sehr viel vom Leben. Meine Frau liebt mich, meine Kinder sind gesund, aber gerade, wenn das Leben am glücklichsten ist, fällt einem dessen Endlichkeit ein.

EURO-KUNSTZONE

Am Karlsplatz präsentiert der Verein „Österreich am Ball“ von 8. bis 28.Juni ein kulturelles Zusatzprogramm zur „Euro 2008“.

Ernst Molden und Willi Resetarits eröffnen die Reihe am 8.Juni um 20.45 Uhr mit einem gemeinsamen Konzert. In den nächsten Wochen sind u.a. live zu hören: A Life, A Song, A Cigarette, Marlies Jagsch, Karl Ratzer, Robert Rotifer, Florian Horwath.

Info: www.karlsplatz.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.