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Isaac Hayes: Er machte den Soul noch größer

Isaac Hayes
Isaac Hayes(c) AP (FRANK FRANKLIN)
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Isaac Hayes, der „Black Moses“, ein ganz Großer der afroamerikanischen Musik, wurde in seinem Haus in Memphis neben seinem Laufband tot gefunden.

Soul, die Musik, die weltliches Wehklagen und überirdisches Jubilieren verschmilzt, ist eine Kunst, die wie keine andere nach Ausdruck ringt. Die dabei maßlos ist – und alle Maße sprengt. Der vielleicht größte Sprengmeister des Soul war Isaac Hayes: Er machte den Soul episch, ließ das Drei-Minuten-Format hinter sich.

„I'm talking about the power of love“, so begann er 1969, noch fast murmelnd, seine unglaubliche, brennende Version von „By The Time I Get To Phoenix“ – und für dieses Thema waren ihm 18 Minuten und 40 Sekunden gerade lang genug, das hörte man. Und man hörte, dass es ihm um Tiefe ging. Nicht nur, weil er es proklamierte: „There's a deep meaning to this tune“, erklärte er: ein Prediger, der praktizierte, was er predigte.

Autor auch des „Soul Man“

Freilich, auch Hayes selbst hatte im Drei-Minuten-Format begonnen. So saß er im Spätwinter 1966 wieder einmal am Studioklavier, tüftelte vor sich hin. David Porter, sein Kompositionspartner, war gerade aufs Klo gegangen, da sprudelte eine infektiöse Melodie aus Hayes' Fingerspitzen. Porter vernahm dies und rief durch die Klotür: „Hold on, man, I'm coming!“ So hieß dann auch der Welthit, der zehn Minuten später fertig war und in der Version von Sam & Dave unsterblich wurde.

Lässig klingen solche Anekdoten aus der Pionierzeit. Doch Isaac Hayes, 1942 in Covington, Tennessee geboren, Schulabbrecher, hatte es anfangs beim klassischen Soul-Label Stax nicht leicht. Er benötigte vier Anläufe, bis er seine Chance erhielt. Mit dem Instrumental „Frog Stomp“ bekam er die Stelle des Ersatz-Keyboarders bei der Parade-Instrumental-Combo des Booker T. & The M.G.'s. Den Fuß in der Tür, mauserte er sich zum Hitschreiber: Hayes/Porter verfassten unzählige Knaller für Kollegen von Otis Redding bis Sam & Dave. Darunter: „Soul Man“, mit dem viele Jahre später eine neue Generation den gut abgehangenen Südstaatensoul entdeckte.

Sein zweites Album „Hot Buttered Soul“ (1969) revolutionierte das Genre – mit Glanzstücken wie der Protofunk-Nummer „Hyperbolicsyllabiscesquedalymistic“ und eben „By The Time I Get To Phoenix“ mit seinen langen Erörterungen der Motive und Prinzipien eines Sängers der Liebe. Eine frühe Form des Rap, später nachgemacht von Millie Jackson und Barry White.

Nach dem Erfolg auch der beiden nächsten Alben „Isaac Hayes Movement“ und „To Be Continued“ interessierte sich die Filmindustrie für den markanten Kopf mit der imposanten kahlen Stirn: „Blaxploitation“ hieß das Zauberwort. Schwarze Regisseure, schwarze Schauspieler, schwarze Plots und schwarze Filmscores sollten das schwarze Amerika zum Konsumenten Hollywoods machen. Isaac Hayes wurde die Filmmusik zu „Shaft“ angeboten. Anfangs fürchteten die Filmemacher ein Debakel, hatte doch Hayes keinerlei Aufzeichnungen oder gar Noten bei sich. Er improvisierte Szene für Szene – und der funky Soundtrack wurde zum Kassenschlager. Ab damals agierte Hayes auch als Schauspieler, u.a. mit Lino Ventura in „Tough Guys“ und mit Kurt Russell in „Escape from New York“.

Die Stellung als großer Repräsentant der afroamerikanischen Musik – und Verfechter der Rechte der Schwarzen –, als „Black Moses“, wie eine weitere legendäre Platte hieß, hielt er auch in der Ära des Disco: Mit einer Hybridform aus Disco, Funk und Soul, die er auf Alben wie „Chocolate Chip“ und „New Horizon“ entwickelte. Ein Sexsymbol war er schon längst, zeigte sich auf den Covers nicht nur ganz oben ohne, sondern auch ohne Hemd. Seine tiefe, schnurrende Stimme transportierte indessen Leidenschaft in tristeste Täler, mit ihr wurde sogar Stings „Fragile“ zur inbrünstigen Beschwörung.

Seiner musikalischen Passion blieb er in den Achtzigern und Neunzigern treu, doch sah er sich auch nach Nebenerwerb um: Er machte eine „Morning Show“ für einen New Yorker Radiosender, spielte in Filmen, sprach die Rolle des Kochs in der Cartoonserie „South Park“. Das passte, vernaschte er doch niemals Fräuleins mit leerem Magen. Der passionierte Koch verfasste das Soul-Food-Standardwerk „Cooking With Heart & Soul“. Darin bietet er Textvorschläge für Tischgebete, vor allem unverzichtbaren Magendurchreißer-Rezepte wie „Wesley Snipes Rum-Glazed Cornish Hens“.

Diese üppige Kost hat wohl dazu beigetragen, dass Isaac Hayes schon 2006 einen Schlaganfall erlitt. Nun fand ihn seine Frau tot neben dem Laufband in seinem Haus in Memphis. Er hinterlässt zwölf Kinder, 14 Enkel und drei Urenkel – und einige der tiefsten, intensivsten Momente des Soul. sam/tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2008)

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