Pop

Die CD ist tot. Na und?

(c) Reuters (Siphiwe Sibeko)
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Schon wieder Krise – aber die andere: Seit Jahren leidet die Musikwirtschaft unter dem Vormarsch des Internets. Aber: Wo die großen Lösungen fehlen, finden kleine Labels Antworten auf das Dilemma.

Die Krise. In den vergangenen Monaten hat sie sich in den Alltagssprech eingenistet, eine Branche allerdings ist sie schon lange gewohnt. Nur dass sie hier nicht Krise heißt (ob nun „Wirtschafts-“ oder „Finanz-“), sondern schlicht Internet.

Dass dessen Siegeszug der Musikwirtschaft zugesetzt hat, ist zwar bekannt. In welchem heftigen Ausmaß aber, zeigen nun neue Zahlen: So hat sich der heimische Musikmarkt seit 2001 halbiert (Quelle: „Arbeitsgruppe SOS-Musikland“, März 2009), der Verkauf der Tonträger ist um 57 Prozent zurückgegangen. Heißt: Der Absatz bewegt sich in etwa auf dem Niveau der frühen Sechziger. (Quelle: Buch „Musikrezeption...“, s. Kasten). Wobei die „Indies“, die kleinen, unabhängigen Labels, jene, die in der Regel vom Inhaber, oft dem Künstler selbst, geführt werden, zudem zuletzt ihr eigenes internes Drama zu überwinden hatten: das finanzielle Aus des Wiener Soul-Seduction-Vertriebes.

Trotzdem: Rund 180 heimische „Indie“-Labels (Bereich: Rock, Pop, Elektro etc.) gibt es noch. Wobei: Ohne „Brotjob“ der Betreiber geht es nicht. Und auch nicht ohne neue Geschäftsideen: „Durch reine Labelarbeit ist kein einziges dieser Unternehmen wirtschaftlich tragbar“, sagt Hannes Tschürtz von Inc Music/Schoenwetter Schallplatten, der Bands wie „Ja, Panik“ vertritt. Zumal der Abschied von der CD endgültig scheint. Offenbar sieht das auch der Handel so: Zwölf Prozent des Umsatzes gehen alleine verloren, weil der Kunde die gesuchte Ware im Geschäft nicht findet. „In fünf Jahren wird die CD ein Nischendasein wie die Vinylplatte fristen“, resümiert Peter Tschmuck, Professor an der Wiener Universität für Musik. Das Problem dabei ist nur, dass die CD sich in eine Lücke hinein verabschiedet: Denn die steigenden Einnahmen am Download-Sektor schaffen es nicht, die enormen Verluste aufzuwiegen. Und die großen neuen Vertriebsmodelle existieren bis jetzt nur als Schlagworte wie „Flatrate“, bei der ein fixer Betrag für unbegrenzten Musikdownload gezahlt wird. Wie man es machen könnte, musste mit iTunes erst das Computerunternehmen Apple vormachen. Schade eigentlich ...

In Österreich trifft die globale Entwicklung auf spezifische Strukturprobleme. Weil mittelgroße Labels fehlen, kann der Erfolg einer Band zum „Problem“ werden. Denn, meint Alexander Hirschenhauser, Sprecher vom Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen (VTMÖ): „Kleinere Labels können den internationalen Auftritt des Künstlers gar nicht alleine bewältigen.“ Schade – zumindest volkswirtschaftlich – findet er etwa, dass Soap & Skin vom heimischen Label Couch Records an die belgischen Pias Recordings weiterlizensiert wurde: „Ein Gutteil der Wertschöpfung passiert jetzt im Ausland.“

Typisch österreichisch ist auch der Streit um die „Quote“: Die Initiative „SOS Musikland“ (Wirtschaftskammer, Labels etc.) kämpft um einen Österreicher-Anteil in Funk und Fernsehen. Ändere sich nichts, werde es in fünf Jahren um 75 Prozent weniger Produzenten geben. Den Verlust an Wertschöpfung beziffert man in einer Studie mit 30 Mio. Euro. Außerdem wünscht man sich ein Musikförderungsgesetz sowie eine Exportförderung. „Es ist beinahe zynisch, dass der Staat mit der Mehrwertsteuer zwanzig Prozent am Verkauf jedes Titels verdient – dreimal so viel wie der Künstler – und den Markt nicht stärker unterstützt“, klagt Peter Rantasa vom Musikinformationszentrum Mica. Und dennoch: Es ist nicht so schlimm. Denn es gibt nach wie vor gute, zuletzt sogar immer bessere Musik: Soap & Skin alias Anja Plaschg, Kreisky (Wohnzimmer Records), Laokoongruppe (Konkord). Und es gibt Antworten der Kleinlabels auf das Internetdilemma. Vier Modelle im Überblick:


Fans für Fans. Ein altes, aber sympathisches Modell: Labels wie Fettkakao, Siluh und Seayou Records wurden in der Krise gegründet, um Künstlern, die den Betreibern am Herzen lagen, eine Plattform zu bieten. Im Einzelnen unterscheiden sich die Strategien. Andi Dvorak betreibt Fettkakao mit Acts wie A Thousand Fuegos als Liebhaberprojekt und setzt neben digitalen Downloads auf Vinyl, das bei Konzerten Abnehmer findet. „Das Label muss keinen Gewinn abwerfen“, sagt er. Bernhard Kern, mit Siluh Heimat von Bands wie a Life, a Song, a Cigarette, wiederum will mit speziellem Verpackungsdesign das simple Produkt CD aufwerten. Und legt der Vinyl-Veröffentlichung schon mal gratis eine CD bei. Ilias Dahimène hingegen stellt sein Label Seayou breiter auf. Und übernimmt für seine Künstler auch Booking- und Verlagsagenden.

360-Grad-Modell. Die Erkenntnis, dass der Live-Sektor stark wächst, nutzen auch andere, und das weit umfassender. Sie adaptieren das sogenannte 360-Grad-Modell, das man (in weniger sympathischer Ausprägung) von großen Major-Labels kennt, und machen Booking, Management und Merchandising. „Wir waren nie nur Label und haben Schritt für Schritt Dienstleistungen dazugenommen. Ein Bereich alleine ist nicht stark genug, um zu überleben“, sagt Inc-Music-Geschäftsführer Tschürtz.
Risikominimierung. Mehr Verantwortung für die Kreativen, so könnte man das Konzept von Daniel Hantigks Label Chat Chapeau zusammenfassen. Genauso gut könnte man aber sagen: Hantigk verlagert das Erfolgsrisiko auf die Künstler, denen er einzelne, separat zu bezahlende Leistungen wie Marketing oder Produktion anbietet, die diese zu einem Paket schnüren. Für Hantigk war die Umstellung im Vorjahr nötig, um finanziell zu überleben, seine Künstler können damit zumindest leben: „Wir haben überlegt zu wechseln“, sagt Stani Vana, Chef der Band !DelaDap. Letztlich sei man aber geblieben, weil mit Hantigk sonst zufrieden. Das neue Modell, so Vana, bringe mehr Transparenz, aber nur, wenn man sich wie er kaufmännisch auskennt. Für alle, gibt Hantigk zu, sei das Modell nicht geeignet: „Ein junger Künstler ohne Geld, der neu aufgebaut werden muss, ist bei mir sicher falsch.“
Zukunftsmusik. Man kann aber auch ganz anders auf das Internet-Dilemma reagieren. Ganz neu. „Uns ist wichtig, dass die Musik rauskommt“, sagt Christian Schwarz, besser bekannt als Teil der Musikformation Al Haca, der gemeinsam mit Jelena Matouschek die Agentur Crunchtime betreibt. „Die Leute sind verrückt nach Musik. Sie sollen mit ihr machen, was sie wollen.“ Das Motto: Der Content, also die Musik, ist gratis, verkauft wird das „Drumherum“. Klassisch mit Booking, Publishing und Merchandising, aber eben auch durch sinnvolle Kooperationen mit der Unterhaltungs- und Lifestyle-Industrie – sei es mittels Sponsoring oder Product-Placement. Weil man auch künftig nicht durch den Verkauf von MP3s reich werde, laute die Herausforderung, neue Zahlstellen zu etablieren, so Schwarz. Denn, ja, die CD mag tot sein, die Wertschöpfungskette ist hingegen noch lange nicht geschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2009)

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