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Hip-Hop und Islamismus: „King Bushido, zweiter Name Mohammed“

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Das Paris-Sweatshirt, mit dem Bushido nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ posiert hat, könnte eine notwendige Debatte entfachen: Wie hält es die (deutsche) Gangsta-Rap-Szene mit dem Terror?

„Bald geht's wieder rund . . .“, schrieb der erfolgreiche deutsche Rapper Anis Mohammed Youssef Ferchichi, besser bekannt als Bushido, am vergangenen Donnerstag auf Facebook, Twitter und Instagram: „#ccn3kommtundzerficktsoeinige“. Zur Erklärung: „CCN3“ steht für „Carlo Cokxxx Nutten 3“, so heißt Bushidos nächstes Album, und dass er das Wort für Geschlechtsverkehr offenbar für Gewalt verwendet, ist befremdlich, aber im Gangsta-Rap üblich. Bemerkenswert ist dagegen das Bild, das Bushido dazu postete: Es zeigt ihn in einem (handelsüblichen) Nike-Sweatshirt mit dem Aufdruck „Paris“. Und das am Tag nach dem Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“. Egal, ob man Nike als Siegesgöttin oder – im Sinn des obenstehenden Bushido-Spruchs – als Homophon für das französische „nique“ liest, die Absicht scheint klar.

Es wäre nicht das erste Mal, dass der mehrfach wegen Beleidigungen verurteilte Bushido sich auf Terror bezieht. 2006 erschien der Track „11. September“, in dem er sich als „dieser Terrorist, an den die Jugend glaubt“ vorstellte, „Ich bin ein Taliban“ und „Amerika hass ich seit dem Golfkrieg“ bekannte und u. a. drohte: „Ich lass dich bluten wie die Typen aus den Twin Towers.“ Denn: „Ich bin King Bushido, zweiter Name Mohammed, ich hab ein' Flächenbrand über deine Stadt gelegt.“

Rapper Sadiq: „Je suis muslim“

Bushido hat sich nie von diesem Rap distanziert, genauso wenig wie von den Texten, in denen er Gewalt gegen Frauen verherrlicht. Auch aus der deutschen Hip-Hop-Szene kam kaum Kritik; erst als Bushido 2011 als „Vorbild zur Integration“ mit einem Bambi geehrt wurde, wandten sich einige Musikerkollegen dagegen, darunter Heino, der Bushido einen „gewalttätigen Kriminellen“ nannte.

Auf das aktuelle Posting Bushidos kamen auffällig viele „Likes“ – und auch ergänzende Erklärungen von deutschen Hip-Hop-Kollegen. So änderte der in Kabul geborene Sadiq (Zadran) sein Facebook-Profilbild auf die Schrift „Je suis muslim“ (im gleichen Layout wie das verbreitete „Je suis Charlie“). Und als der TV-Sender Pro7 den Satz „Da sät jemand Hass, und das gefällt uns nicht“ twitterte, reagierte das Magazin „Rapupdate“ empört: Der Sender „pöbelt öffentlich“ gegen Bushido, schrieb es.

Das mehr oder weniger offene Liebäugeln eines Teils der deutschen Hip-Hop-Szene mit Islamismus ist nicht einfach als Ausreizen des Provokationspotenzials zu verharmlosen. Das zeigt der Fall des Berliners Denis Mamadou Gerhard Cuspert, der in den Nullerjahren als Gangsta-Rapper Deso Dogg aktiv war: Heute ist er als Abu Talha al-Almani federführend bei der Medienorganisation des IS, die im August 2014 das Video von der Enthauptung des US-Journalisten James Foley veröffentlichte. Cuspert begann seine islamistische Karriere 2010 in der salafistischen Al-Nur-Moschee in Berlin-Neukölln. Für just diese Moschee wirbt auch Bushido in einem YouTube-Video, dem „Berliner Kurier“, der ihn um eine Stellungnahme dazu bat, beschied er knapp: „Fickt euch.“ Natürlich sind keinesfalls alle deutschen Gangsta-Rapper Sympathisanten des islamistischen Terrors. So meinte der aus Offenbach gebürtige Aykut Anhan vulgo Haftbefehl in einem Interview, es sei „völlig absurd“, mit dem IS zu sympathisieren. Es gebe „bestimmt 500 Gründe“, nach Syrien zu gehen: „Aber es gibt keinen einzigen guten.“ Allerdings hatte er offenbar nichts dagegen, dass in einem seiner Videos ein Mitstreiter mit einer Bazooka-Attrappe „Freiheit für Palästina“ fordert. Und aus der Textzeile „Ich verticke Kokain an die Juden an der Börse“ kann man einen antisemitischen Unterton hören.

Dass die Versuchung zum Islamismus im deutschen Gangsta-Rap so präsent ist, hat eine ganz schlichte Voraussetzung: Fast alle seine Repräsentanten kommen oder stammen – ganz ähnlich wie in Frankreich – aus islamischen Ländern. Dazu kommt eine alte Traditionslinie des politisch engagierten Hip-Hops: Schon in den Achtzigerjahren zeigte etwa die US-Formation Public Enemy Nähe zur sektiererischen „Nation Of Islam“, die einen eigenen Staat für Afroamerikaner forderte und den Islam als dessen Religion sah; ihr Mitglied Professor Griff musste wegen antisemitischer Verschwörungstheorien die Band verlassen. Heute sind Danksagungen an Allah auf Hip-Hop-Covers fast schon die Norm; allerdings vertritt das Gros der Rapper keine radikale Form des Islam.

Kollegah wettert gegen die Evolution

Ein Sonderfall im deutschen Hip-Hop ist Felix Blume, als Kollegah ein virtuoser Rapper: Er ist Sohn eines Kanadiers und einer Deutschen, kam aber über seinen algerischen Stiefvater zum Islam, mit 15 konvertierte er. In YouTube-Videos erklärt er sehr beredt etwa den Unterschied zwischen Koran und Bibel. Besonders engagiert er sich gegen die Evolutionslehre, so übersetzte er ein Buch des türkischen Kreationisten Harun Yahya, von dem er sich heute distanziert, weil dieser mit aufreizend gekleideten Frauen posiere.

Zum Terror in Paris hat sich Kollegah (noch) nicht geäußert, sein Track „Business Paris“ (mit dem französischen Kollegen Ol' Kainry) hatte, wie der Name schon sagt, weniger politischen als sozusagen geschäftlichen Inhalt: „Adrenalin, argent facile, nachts auf dem Eiffelturm mit Drugs in den Jeans, nique la Police, tick auf den streets . . .“ Felix Blume ist übrigens Jusstudent im Mainz.

Zur Person

Bushido wurde als Anis Mohammed Youssef Ferchichi als Sohn eines Tunesiers und einer Deutschen 1978 in Bonn geboren, er wuchs in Berlin-Tempelhof auf. Sein Künstlername stammt aus dem Japanischen und bedeutet „Weg des Kriegers“. Seine Rap-Karriere begann er mit Kollegen wie dem Porno-Rapper King Orgasmus One, später arbeitete er beim Label Aggro Berlin u. a. mit Sido zusammen. 2004 nahm ihn Universal unter Vertrag. 2010 reagierte Alice Schwarzer auf obszöne Attacken Bushidos und nannte ihn einen „kleinbürgerlichen Spießer, der die echt Verzweifelten anzapft“. 2013 veröffentlichte er in seinem Twitter-Profil eine Karte des Nahen Ostens, auf der Israel in den Nationalfarben der Palästinenser eingefärbt war.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2015)

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