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George Martin: Der Tonmeister der Beatles ist tot

George Martin.
George Martin.(c) Reuters (RAFAEL PEREZ)
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Produzent George Martin hat den Sound der wichtigsten Popband geprägt wie sonst nur sie selbst. Nun ist er 90-jährig in Südwestengland gestorben.

Von den vier Beatles sind nur noch zwei am Leben, und auch unter den vielen ihrer Gefährten, die man zum „fünften Beatle“ erklärte, hat der grimmige Schnitter schon geerntet. Produzent George Martin war gewiss ein würdiger Träger dieses „unmöglichen Titels“. So nannte er ihn einmal selbst – und reichte ihn bescheiden gleich weiter: an Neil Aspinall (1941–2008), der nicht nur Roadmanager und persönlicher Assistent der Beatles war, sondern auch ungewöhnliche Instrumente für sie spielte, etwa den Flaschenkürbis (Guiro) auf „Strawberry Fields Forever“ und die indische Tambura auf „Within You Without You“. George Martin liebte solche – im Rock'n'Roll – exotischen Klangfarben, bestärkte seine Vier, wenn sie damit experimentierten, ob mit Streichern („Yesterday“, „Eleanor Rigby“), Sitar („Norwegian Wood“) oder elektronisch verfremdeten Orgeln („Being for the Benefit of Mr. Kite“).

Man stelle sich vor, statt George Martin wäre ein Rock'n'Roll-Purist an den Reglern gesessen! Welche Klänge uns fehlen würden! (Ohne dass wir's wüssten.) Dabei war er kein Bastler um des Bastelns willen: „,Sgt. Pepper‘ hat Stil, weil es zurückhaltend ist“, sagte er über das exzentrischste Album der Beatles, „Wir wussten, wann es genug war.“ Er stellte es – wie alle Beatles-Alben außer „Let It Be“, das unter Phil Spectors Ägide entstand – sorgfältig zusammen und klagte oft, dass „Strawberry Fields Forever“ und „Penny Lane“, die beiden großen Heimatlieder von John Lennon und Paul McCartney, nicht darauf enthalten waren. Für „Strawberry Fields“ hatte er seine ganze Trickkiste verwendet, darunter einen monströsen Apparat namens Frequenzwechsler, mit dem er zwei Takes mit verschiedenem Tempo zusammenschnitt. Damit war dann sogar der notorisch unzufriedene Lennon zufrieden, zumindest kurz. Mit McCartney hatte Martin es leichter, dieser kam von selbst mit der Idee, „Penny Lane“ mit einer Piccolotrompete zu zieren . . .

Er plädierte gegen Pete Best

Selbst ausgebildeter Oboist und Gründer einer Schülerband namens George Martin & The Four Tune Tellers, stand George Martin exemplarisch zwischen E- und U-Musik, Klassik und Pop. Die Firma Parlophone, bei der er 1950 begann, war erst ein Klassiklabel, er erweiterte das Spektrum um Comedy, Jazz, dann Rock'n'Roll. Im Februar 1962 empfing er erstmals Brian Epstein, den Manager der Beatles. Im Juni unterzeichnete er den Vertrag – und traf gleich eine Entscheidung: Der etwas blasse Schlagzeuger Pete Best musste gehen und wurde durch Ringo Starr ersetzt. Und diesen ermunterte Martin gleich zu mehr Tempo: Die ursprüngliche Version von „Please, Please Me“ klang deutlich behäbiger als die Fassung, die dann auf Platz eins kam.

Schon in der frühen, frischen Phase der Beatles hat Martin Akzente gesetzt, die – ohnehin schon umwerfende – Wirkung des Gesangs durch Overdubbing und subtile Effekte optimiert: Man höre nur den punktuell eingesetzten Hall, der das Drama von „A Night Before“ noch verschärft. Dass plötzlich viele Bands aus Liverpool so klangen wie die Beatles, lag auch an ihm: Er produzierte sie alle.

Nach Ende der Beatles war Martin in verschiedensten Stilen tätig, vom Rockjazz des Mahavishnu Orchestra bis zur Neo-Romantik von Ultravox. Paul McCartney blieb ihm treu: Zu Martins imposantesten Produktionen zählt der „James Bond“-Song „Live and Let Die“. Weniger Stilgefühl zeigt das Album „Love“ (2006), auf dem Martin mit seinem Sohn Giles Beatles-Stücke neu arrangiert hat: In diesem Zirkus hört man, was man zu Lebzeiten der Beatles nie gehört hat: Manierismus. Da wusste er selbst nicht mehr, was genug ist.

Natürlich konnte man ihm deshalb nicht lang böse sein, dem inzwischen zum Sir geschlagenen Meister, der mit Rat und Tat stets dabei war, wenn das Werk seiner Fab Four wieder einmal neu zu edieren war. Seine späten Jahre waren dadurch überschattet, dass ihm seine wichtigsten Arbeitsgeräte, seine Ohren, allmählich den Dienst verweigerten. Nun meldete Ringo Starr es als Erster der Welt: George Martin, der Mann, dessen Ohren die Beatles vertrauten, ist 90-jährig in seinem Haus in Swindon, Wiltshire, gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2016)

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