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Eric Mingus: „Muhammad Ali – ein Jazz-Master“

(c) Samir H. Köck
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Eric Mingus, Sohn von Jazz-Ikone Charles, kommt zum 30. Jazzfestival Saalfelden. Ein Gespräch über Ruhm, Rassismus, Frank Sinatras Gesang und Boxen.

Eric Mingus hat eine voluminöse Stimme, die selbst in fein verästelte musikalische Regionen vital vordringt. Er spielt auch Bass. Die Betonung liegt auf „auch“, denn als Sohn des genialen Bassisten und Komponisten Charles Mingus scheut er den direkten Vergleich. War der Name Mingus eher Segen oder Fluch? „Es war natürlich beides. Wohl mehr Segen. Er öffnete mir viele Türen, wobei ich stets versuchte, möglichst viele Kollegen durch diese Türen mitzunehmen. Negativ war halt, dass jene, die Charles Mingus als Genie sehen, dasselbe künstlerische Level von mir erwarteten. Das hat mich oft gehemmt.“ Klugerweise hat sich Eric Mingus in seiner Kunst vom Vater abgesetzt.

Er amalgamiert Blues, Gospel und Jazz und singt literarisch hochwertige Texte, die eindeutig von der Poesie der Beat Generation inspiriert sind. Wer waren seine literarischen Helden? „Da wäre mal Allen Ginsberg, den ich persönlich kennenlernen durfte, weil er mit Vater befreundet war. Noch wichtiger für mich war Jack Micheline, der sich selbst nicht zur Beat Generation zählte, aber definitiv ein Kerouac-Jünger war. Er förderte mich intensiv.“ Doch anders als den Dichtern der Beat Generation fiel es Eric Mingus schwer, sich von der Bedeutung der Worte zu lösen. „Micheline versuchte mir einzubläuen“, erinnert er sich schmunzelnd, „dass es alleine auf die Struktur des poetischen Gebildes und auf den Rhythmus der Worte ankäme. Das sah ich lange nicht so.“ Ein Fan brachte Mingus' Konzept eines Abends nach einem Konzert ins Wanken.

Der Blues reparierte die Seele

„Ich sang eine meiner Kompositionen, einen Song mit dem Titel ,His Blood's in Me‘. Viele meinten, der wäre auf meinen Vater gemünzt. In Wirklichkeit ist mein Großvater mütterlicherseits damit gemeint, der so unglücklich darüber war, dass seine (weiße) Tochter einen Schwarzen geheiratet hat, dass er sich später sogar umgebracht hat. Dass nun das Blut dieses Rassisten in meinen Adern fließt, war Thema dieses für mich sehr intensiven Songs. Nach meiner Performance kam besagter Typ zu mir und meinte: ,Das war der lustigste Song, den ich jemals gehört habe.‘ Nun weiß ich, was mich Micheline lehren wollte.“

„Healin' Howl“ heißt das superbe aktuelle Album von Eric Mingus. Darauf wird der Blues in vielen Facetten zelebriert. „Anders als mein Vater bin ich sehr auf der emotionalen Seite zu Hause. Der Blues war stets mein Seelenreparateur.“ Kennengelernt hat er das Genre über seinen Vater, der ihm Platten von Howlin' Wolf vorspielte. Später wurde Taj Mahal sein großes Vorbild. Derzeit singt er viel zu Alben eines Sängers, den man nicht wirklich dem Genre zurechnen kann: Frank Sinatra.

Lachend erzählt er von seiner Wandlung. „Da. wo ich aufgewachsen bin, nahm niemand einen Sänger wie Frank Sinatra ernst. Dass ihn Miles Davis immer lobte, schien mir absurd. Heute weiß ich Sinatras flexible Phrasierungen, die Art, wie er seine Atmung unter Kontrolle hatte, sehr zu schätzen. Er hatte wahnsinnig starke Lungen, obwohl er ein starker Raucher war. Ich möchte ja nichts gegen Mediziner sagen, aber wenn man Sinatra hernimmt, dann kann Rauchen nicht der Lungenfunktion abträglich sein. Den Krebs kriegt man wohl eher durch Stress und Kummer.“

Kummer kennt indes auch Eric Mingus. Viele Fans seines Vaters sind ihm gram, weil er sich weigert, etwas mit der immer noch existierenden Mingus-Big-Band zu tun haben zu wollen. Die Gründe liegen auf der Hand: „Für mich ist es genau der falsche Weg, das musikalische Erbe meines Vaters zu ehren. Er war für kreative Aneignung und nicht für ewige Wiederholung.“ Sein hohes Ethos nährt auch sein zweiter Vorname Dolphy. „Selbstverständlich habe ich mich mit Eric Dolphys Musik und Ethik besonders beschäftigt. Das ist halt das Erbe meines Vaters. Als Sohn von Charles Mingus kann man nicht anders als kreativ zu sein. Ich habe auch als Tischler und Bauarbeiter gearbeitet. Selbst im Handwerk habe ich mich individuell ausgedrückt.“

Der tägliche Kampf um die Kunst

In der „Comfort Zone“ zu verharren ist sein Ding nicht. Er sucht den Kampf. In seiner Musik wie auch im Ring. Eric Mingus boxt gerne, wie auch früher Miles Davis und Joe Zawinul. Gibt es denn eine geheime Affinität zwischen Boxen und Jazz? Mingus deutet eine Schlagkombination an: „Um zu boxen, brauchst du fundierte Kenntnisse, gleichzeitig ist viel Improvisation im Spiel. Boxen ist eine gute Metapher für den täglichen Kampf um deine Kunst. Den gibt es im heutigen Jazz leider nur mehr selten. Zu viele deklinieren immer noch Charlie-Parker-Soli. Wenige bieten eigenes.“

Ein ultimatives Vorbild für diese faulen Musiker hat Mingus auch parat: „Muhammad Ali war genauso ein Jazz-Master wie Dexter Gordon und Eric Dolphy. Genau wie diese beiden Musiker hatte Ali eine Supertechnik, die aber durch seine Persönlichkeit überstrahlt wurde. Heutzutage fehlt die Individualität. Überall.“

JAZZFEST SAALFELDEN

Von 28. bis 30. August gastieren u.a. Jazz-Ikone Ornette Coleman (ein rarer Auftritt in Europa) oder Elliott Sharp. Wolfgang Puschnig und Eric Mingus spielen Sonntag, 16 h (und am 1.9. im Wiener Porgy & Bess).

Info und Tickets: www.jazzsaalfelden.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2009)

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