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Nachruf auf Falco: Er war ein Superstar, er war populär

Portr�t  Popstar FALCO    (Archivbild)
Portr�t Popstar FALCO (Archivbild)(c) APA/H. MICAN
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NACHRUF von 1998. Falco ist im Alter von 40 Jahren in der Dominikanischen Republik bei einem Autounfall gestorben. Abschied vom einem Popstar unter Austropoppern.

In der Nachmittagssonne, zwischen den Ferienorten Puerto Plata und Sosua, schlaftrunken nach einstündiger Rast, fuhr Hans Hölzel, Wiener in der Dominikanischen Republik, mit seinem Geländewagen frontal gegen einen Autobus. Er war sofort tot.

Alkohol- oder Drogeneinfluß ist, so der Manager der Ferienanlage, praktisch auszuschließen: Hölzel, sein Starleben lang anfällig für Räusche aller Art, soll in seinem letzten Refugium abstinent gelebt haben. Freunde und Adabeis berichteten von neuem Tatendrang; er arbeitete gerade an seiner neuen Platte, darunter ein Song mit dem Titel "From The Dark Into The Light".

Das Album soll posthum erscheinen, es wird aller Voraussicht nach nicht, wie vor einem halben Jahr geplant, "Egoisten" heißen. Doch der Arbeitstitel spricht für sich: Der Einzelkämpfer-Ideologie der frühen achtziger Jahre ist Falco bis zuletzt treu geblieben.

"Moderne Menschen leben allein" hieß es schon auf Falcos glänzendem Erstwerk "Einzelhaft" (1982), und, im Song "Hinter uns die Sintflut": "Hier auf Hawaii, da leb ich sorgenfrei." Wie kein anderer verkörperte Falco in diesen Tagen - als das Wort "Wiener" im ganzen deutschen Sprachraum beträchtlichen Coolness-Faktor hatte - den Optimismus der Neuen Welle Wiens: Im Designeranzug, das Haar mit Gel zurechtgelegt, gab der Sohn eines Maschinenbau-Unternehmers den selbstbewußten und zugleich selbstironischen Aufsteiger, vielleicht nicht den "Prolo im Champagnertreff", wie Stefan Weber, sein Chef bei "Drahdiwaberl", sang, aber doch den neureichen Jüngling aus der Vorstadt. Falco nannte er sich nach dem Skispringer Falco Weißpflog; er wollte hoch hinaus.

Angefangen hatte er, wie so viele, bei der ewigen Späthippie-Formation "Hallucination Company", bei "Drahdiwaberl" hatte er dann seinen Auftritt mit dem Drogensong "Ganz Wien": "Im U4 geig'n die Goldfisch", sang er, als das U4 tatsächlich die Szenediskothek war und Falco der Goldfisch in diesem Teich. Mehr als ein Jahrzehnt später sollten noch Barfrauen in ganz Wien stolz und wehmütig von den Tagen erzählen, als sie mit "dem Hansi" in den Morgen hinein lebten.

Esperanto de Cool

"Die Lebenslust bringt dich um", sang, nein: rappte Falco in seinem ersten Welthit "Der Kommissar": ein bis heute unübertroffener Geniestreich, 1982, als noch kaum jemand überhaupt wußte, was Rap ist. Aus englischen und wienerischen Brocken, aus dem Jive talkin' der Szene schuf Falco, näselnd und kicksend, sein ganz persönliches Esperanto de cool. Auf seiner zweiten Platte, "Junge Römer", gab er sich ernsthafter: elegante Hymnen einer goldenen Jugend, vom edlen Pathos einer Abendsonne, die die Feste der Nacht ankündigt: "Laß diese Reise ewig dauern . . ."

Den Ruhm des "Kommissars" konnte dieses Werk nicht erreichen, Falco trennte sich von Produzent Robert Ponger. Die holländischen Bolland-Brüder wurden von "Gig Records"-Besitzer Marcus Spiegel als Produzenten für den nächsten Streich verpflichtet - höchst erfolgreich: "Rock Me Amadeus", eine köstliche Persiflage des Mozart-Rummels ("Er war ein Superstar, er war populär", "Die Frauen liebten seinen Punk"), wurde Nummer eins in den amerikanischen Charts, Falco endgültig zum "großen Sohn der Heimat" erklärt. Bald war er in der Peter-Alexander-Show . . .

Dennoch war Falco im selben Jahr (1985) auch für einen kleinen Skandal gut: Sein Mädchenmord-Moritat "Jeanny" wurde mit Radioverbot belegt. Mit zahlreichen privaten Eskapaden und Enttäuschungen (eine vermeintliche Tochter erwies sich als nicht von ihm) war Falco indessen längst als "großer Schwieriger" Dauergast in allen Klatschspalten.

Die Kritiker dagegen diagnostizierten dem Falken mit oft kaum verborgener Häme künstlerische Abstürze. Tatsächlich, Hölzels Soziotop, die Wiener Szene, war ihm abhanden gekommen - und er mußte fortan seine Motive mühsam finden. Mit "Vienna Calling", "Sound of Musik" oder "Wiener Blut" setzte er etwas verkrampft auf Fremdenverkehrs-Klischees, doch dazwischen glückte ihm immer wieder Zeitloses: "Emotional" etwa, ein in verzweifelter Ironie erstickender, flehentlicher Song, in dem Falco schließlich feststellt, die Frau, die ihn erträgt, sei noch nicht geboren: "Ich bitte dich, komm zur Welt!"

Ironie des Schicksals: Gerade Falco, der einst musikalisch so auf der Höhe der Zeit war, tat sich mit den neuen elektronischen Sounds schwer: "Data de Groove" (1990), wieder von Ponger produziert, zeugt von diesem Scheitern. Mit "Nachtflug" und dem kleineren Hit "Titanic" (fünf Jahre vor dem Film!) verließ er sich dann wieder auf vertraute Muster. Von "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da" schweigt man besser. 1996 noch mit der Yuppie-Modedroge Kokain zu kokettieren, das konnte nur peinlich werden.

Falco blieb rastlos: Von Hietzing zog er nach Gars am Kamp, dann, wie so viele Ruheständler des Austropop, in den Süden: in die Dominikanische Republik, in die Sonne, ins "Steuerparadies".

"Da sitzt der Hölzel dann und schaut ins Wasser", meinte er 1995 im "Presse"-Interview, in einem neuen Tonfall von sanfter Selbstironie. In Wien las er zwischendurch für die Dichterschule, in seinem prolongierten Urlaub wollte er zunächst einmal "nichts tun". Gerade hatte er sich wieder zur Arbeit aufgerafft, da rammte ihn der Bus. Hans Hölzel vulgo Falco hätte am 19. Februar seinen 41. Geburtstag gefeiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 9.2.1998 )

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