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Isaac Hayes: Der frohgemute Geist von Memphis

Isaac Hayes vor dem Studio des Stax-Labels in Memphis, Tennessee. Der Ort, an dem in Zeiten der „Rassentrennung“ Schwarze und Weiße gemeinsam an groovigen und souligen Klängen gearbeitet haben, ist heute das Stax Museum of American Soul Music.
Isaac Hayes vor dem Studio des Stax-Labels in Memphis, Tennessee. Der Ort, an dem in Zeiten der „Rassentrennung“ Schwarze und Weiße gemeinsam an groovigen und souligen Klängen gearbeitet haben, ist heute das Stax Museum of American Soul Music.(c) Stax
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Niemand wusste so viel über die Zusammenhänge von Essen, Musik und Erotik wie Isaac Hayes. Die CD-Box „The Spirit of Memphis“ erinnert an den Renaissance-Mann des Soul.

Der riesige Kochlöffel, mit dem Isaac Hayes auf seinem Kochbuch posiert, wirkt angesichts seines viel zu frühen Herzinfarkttodes 2008 – mit knapp 66 Jahren – bedrohlich. „Cooking with Heart And Soul“ hieß das cholesterinhaltige Werk, in dem Hayes, dieser lässige Erfinder des Breitwand-Soul, zwischen Rezepten wie „Alfre Woodard's Seafood Gumbo“ und „Lu's Chopped BBQ Pork“ vom Fundament seiner unwahrscheinlichen Karriere erzählt. Der in bittere Armut Geborene erinnert sich kaum an seine Mutter, die starb, als er zwei Jahre alt war. Bloß eine Reminiszenz ist geblieben: „Babyessen gab es bei uns nur kurz. Meine Mutter gewöhnte mich rasch an die echte Kost. Ich hab schon als Zweijähriger Erdäpfelsalat geliebt“, schreibt er. Die Kost blieb auch karg, als er mit den Großeltern nach Memphis übersiedelte. Der spätere Superstar schlief als Kind oft in Autowracks, lebte in den Hinterhöfen von Ersatzteillagern.

In Berührung mit Musik kam er in Kirche und Schule. Als er mit seiner Interpretation von Nat King Coles „Looking Back“ einen Talentwettbewerb gewann, wurde er zu einer Art Celebrity an der Schule. „Diese ganzen Basketballer und Footballtypen bei den Girls abzuhängen, das gab mir sehr viel. Sie waren zudem nur während ihrer Spielsaison populär, ich aber konnte an jedem Tag im Jahr singen.“ Und das tat er auch. Die CD-Box „The Spirit of Memphis“ zeichnet sein künstlerisches Erwachen nach. Joe McEwen, der das Opus kompilierte, packte die unterschiedlichen Phasen auf vier CDs, die Hayes als Songwriter, Produzenten, Arrangeur und als Gesangsstilisten zeigen.

Songs in extensiver Verlängerung

Gemeinsam mit David Porter schrieb Hayes unzählige Hits für die Stars des in Memphis ansässigen Stax-Labels: Sam & Dave, Judy Clay, Carla Thomas und Countrysänger Charlie Rich. Stax-Manager Al Bell überraschte Hayes eines Tages damit, ein Album unter seinem Namen veröffentlichen zu wollen. Das 1967 eingespielte Opus „Presenting Isaac Hayes“ pendelt unsicher zwischen Jazz und R&B und ist nur ein blasses Präludium auf das, was Hayes ab 1969 aushecken sollte. Der Soul, der ihm vorschwebte, war von epischer Gestalt. Das Album „Hot Buttered Soul“ umfasste vier Lieder. Darunter eine zwölfminütige, dramatische Interpretation des Burt-Bacharach-Songs „Walk on by“. Noch länger dauerte seine Version von Jimmy Webbs „By the Time I Get to Phoenix“. Ausgewalzt auf mehr als achtzehn Minuten war an dem Song nichts zu viel. Im Gespräch mit der „Presse“ erinnerte er sich einmal, wie ihm die Idee zur extensiven Verlängerung gekommen war: „Ich war frei von jeglichem Druck, einen Hit einspielen zu müssen. Und so wollte ich einmal das, was sonst auf drei Minuten komprimiert ist, in eine richtige Erfahrung verwandeln. Es war vielleicht etwas egozentrisch, aber künstlerisch eine goldrichtige Entscheidung.“

Der von Isaac Hayes entwickelte sonore Sprechgesang gilt als eine der Wurzeln des Hip-Hops. Obwohl nie im direkten Sinn politisch, wollte auch er mit seiner Kunst die Welt verändern. „Natürlich lag mir auch daran, Erotik zu versprühen, aber man liegt ja nicht sein ganzes Leben im Bett. Und so war mir wichtig, über meine Musik Kommunikation auszulösen. In den Siebzigerjahren wollten wir die Dinge im Kleinen verändern, um positive Wirkung auf die großen Zusammenhänge zu erzielen.“ Das war der Geist von Memphis, der Soulkünstler des 1957 vom weißen Bankangestellten Jim Stewart und dessen Schwester Estelle Axton gegründeten Labels. Wo früher Filmtitel standen, prangte in roten Lettern „Soulsville USA“. In der Zeit der „Rassentrennung“ arbeiteten Schwarze und Weiße in einem ehemaligen Kino frohgemut an groovigen und souligen Klängen.

Nie langweilige Jamsessions

Mit seinem Soundtrack zum Blaxploitation-Film „Shaft“ wurde Hayes 1971 zum Weltstar. In der Folge übernahm er selbst Filmrollen, etwa an der Seite von Lino Ventura in „Tough Guys“. Ein Aspekt, den „The Spirit of Memphis“ in den Fokus rückt, ist Hayes' Gabe, Jamsessions zu spielen, die nie langweilig werden. Auf CD vier spielen sich Hayes und Kollegen 33 Minuten mit den im Grunde schlichten Motiven von „Do Your Thing“. Den langsamen und stilvollen Aufbau von Stimmung praktizierte er auch als zeitweiliger Koch in seinen Restaurants Isaac Hayes – Music, Food And Passion in Memphis und Chicago. Gut gelaunt versicherte er: „Diese drei Dinge gehören einfach zusammen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2018)

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