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Konzerthaus: Jazz zum Nachsprechen

(c) REUTERS (Desmond Boylan)
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Wynton Marsalis und sein Jazz At Lincoln Center Orchestra eröffneten ihr dreitägiges Gastspiel mit einer Soirée für Kinder.

„Egal welche Ausbildung du hast, sie bringt dich nur an eine Schwelle, von der aus du Originalität entwickeln musst“, erklärte Wynton Marsalis einmal der „Presse“. An die Macht der Lehre glaubt er dennoch. Im Konzerthaus eröffnete er sein dreitägiges Wiener Gastspiel mit „Jazz For Young People“, einer liebenswerten Unterrichtseinheit, die hiesigen Kids Duke Ellington, den wohl größten Jazzkomponisten des 20. Jahrhunderts näher brachte. Duke Ellington (1899–1974) spielte Klavier, sein eigentliches Instrument aber war sein Orchester. Sein Weggefährte Billy Strayhorn sagte einmal: „Jedes Mitglied seiner Band ist für ihn eine bestimmte Klangfarbe und eine bestimmte Skala von Gefühlen, die er mit anderen gleich charakteristischen mischt, um etwas Drittes zu erzeugen, was ich den Ellington-Effekt nennen möchte.“

Marsalis und sein Jazz At The Lincoln Center Orchestra eröffneten ihre Lehrstunde mit einem behutsam gesungenen „It Don't Mean A Thing“. Die beliebte „Doo-Ah, Doo-Ah, Doo-Ah“-Sequenz schmückten sie, indem sie mit der Hand vor dem Mund wachelten, als würden sie mit einem Trompetendämpfer die Klänge modulieren. Den Plunger, wie dieses Hilfsmittel im Amerikanischen heißt, entdeckten die Ellington-Musiker Bubber Miley und Cootie Williams einst in der Sanitärwarenabteilung: Er ist schlicht eine WC-Saugglocke. Auch auf den damit zu erzielenden Growl-Effekt kam Marsalis an diesem Abend. Davor aber wurden biografische Eckdaten gepaukt. Immer wieder ließ er das großteils kindliche Publikum das Gelehrte laut nachsprechen: Diese zart veraltete Methode sorgte für nicht wenig Amüsement unter den Kids. Auch weil so sich so manche Sentenz hartnäckig einer flüssigen Aussprache seitens des Publikums entzog.

„The left hand plays Umpah“

Mit angenehmer Stimme erzählte Marsalis etwa über Ellingtons Begegnung mit James P. Johnson, dem Vater des Stride-Piano-Stils, den er folgendermaßen erklärte: „The left hand plays Umpah, the right hand does the tricky stuff.“ Als praktisches Beispiel diente das muntere „Carolina Shout“. Dann ging es weiter zur Sweet-Jazz-Ästhetik der Washingtionans, Ellingtons erster Band. Liebevoll erklärte Marsalis dessen spätere Fusion aus Sweet Jazz und Hot Music; die Orchestermusiker veranschaulichten Begriffe wie „Break“, „Shout Chorus“ und „Riff“. Und Marsalis nahm sich Ellingtons revolutionärer Veränderung der Hierarchie zwischen Posaune, Trompete und Klarinette an. Als dann noch das Nachsprechen von „Be a number one yourself and not a number two to somebody else“ klappte, war das Happy End perfekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2018)

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