Zum 20. Todestag

Ins Licht! Wie uns Falco bleibt

Oft schien er schon weit weg in seinen späten Jahren: Hans Hölzel vulgo Falco (1957–1998).
Oft schien er schon weit weg in seinen späten Jahren: Hans Hölzel vulgo Falco (1957–1998). (c) imago/Horst Galuschka
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Wie David Bowies „heroes“ waren auch seine Helden solche unter Anführungszeichen: Erinnerung an Österreichs größten Popstar.

Wo warst du, als Elvis starb? Was tatest du, und welche Entschuldigung hast du dafür, was du mit dem Rest des Tages angefangen hast?“ Das fragte der große, lästerliche US-Popkritiker Lester Bangs in einem Essay nach dem Tod Elvis Presleys (am 16. August 1977). Sein Resümee war tief popkulturpessimistisch: „Wir werden nie wieder so sehr einer Meinung sein, wie wir über Elvis einer Meinung waren. Deshalb werde ich nicht von seiner Leiche Abschied nehmen. Ich werde von dir Abschied nehmen.“

Wo warst du, als Falco starb? Man darf persönlich antworten: Ich weiß es nicht. Zwei Tage nach seinem Tod war ich in der Redaktion, Sonntagsdienst, es waren zwei akute Nachrufe zu schreiben: auf Falco und auf Carl Wilson von den Beach Boys. Falco war bei einem Autounfall gestorben, bei der Ausfahrt vom Parkplatz der Turist Disco bei Puerto Plata in der Dominikanischen Republik, Carl Wilson an Lungenkrebs in Los Angeles, Kalifornien. Ich erinnere mich an einen krausen Gedanken: Beide weit weg, beide in einem sonnigen Land.

Nach dem Tod: „Out of the Dark“

„Into the light!“ war dann auch der zentrale Ruf in Falcos genialem Song „Out of the Dark“, der drei Wochen nach seinem Tod erschien. Er hatte ihn, heißt es, schon Jahre davor geschrieben, doch vor allem die Zeile „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ erschien uns damals wie ein Vorausblick auf seinen Tod. Eine ähnliche – diesfalls wohl geplante – unheimliche Koinzidenz erlebte die Popwelt 18 Jahre später mit David Bowies letztem zwei Tage vor seinem Tod erschienenen Album, „Blackstar“, mit Zeilen wie „Look up here, I'm in heaven.“

David Bowie war eine große Leitfigur für Johann Hölzel, das Bild des „Thin White Duke“ hat ihn wohl dazu ermuntert, sich die Haare zu schneiden, Rock und Rockkabarett hinter sich zu lassen und zu Falco zu werden. „Bowie war mein Idol, ich wollte ihm begegnen“, sagte er einmal. So ging er nach Westberlin, wo Bowie gerade „,Heroes‘“ aufnahm. Er traf ihn nicht, doch die Berlintage hinterließen ihre Spuren auf seinem großen Debütalbum, „Einzelhaft“, etwa im programmatischen „Auf der Flucht“. Sein „Helden von heute“ ist natürlich auch als Variation über „,Heroes‘“ zu verstehen. Falcos Helden waren wie jene Bowies immer Helden unter Anführungszeichen, die der bitteren Selbstironie nicht entfliehen können.

Wie er selbst, in den Protzgesten des „Amadeus“-Videos spielte er damit. Und schon als er mit „Junge Roemer“ (1984) völlig auf der Höhe der Zeit war, spürte man, dass er wusste: Auch diese Coolness wird einmal Falten und Risse bekommen.

Dass sie Falten und Risse bekam, dass Falco in den Jahren vor seinem Tod (also auch vor seinem gelungenen letzten Album) bisweilen weit weg wirkte, lag auch daran, dass er den Spagat wollte (und zwei, drei Jahre lang schaffte), der in Postpunk-Tagen unmöglich schien: zwischen breitestem Hitparade-Publikum und einer Hipness-Elite, die damals auf den „Kommerz“ noch mehr hinabgeblickt hat, als sie's immer tut. Und Falco bald als Emporkömmling zu verachten begann: Roch er nicht doch nach Austropop? Warum sah man ihn nicht in den wirklich coolen Lokalen? Und war es nicht ein bisschen peinlich, so erfolgreich zu sein?

Falco war das nicht egal. Er wollte auch die intellektuelle Anerkennung. Dass die Wiener „Schule für Dichtung“ 1995 sein Sprachgenie erkannte und ihn zum Lehrer machte, war ihm sehr wichtig. Dass heutige österreichische Bands – zuvorderst die wunderbaren Bilderbuch – sich an ihm orientieren, an seinen Posen, an seinem so kühnen wie geistreichen Esperanto de cool, aber auch an den opulenten Keyboardklängen (die in Postpunk-Ohren stets ein Ärgernis bleiben), wäre ihm wohl genauso wichtig, wenn er es erleben könnte. Wenn er nicht verunglückt wäre, vor einer schleißigen Touristendisco, auf der Flucht. In die Sonne.

„Die endgültige Falco-Exegese“: Dienstag, 6. Februar, 18.30 Uhr, im Wien-Museum. Auf dem Podium: Literaturwissenschaftler Klaus Kastberger, Falcos ehemaliger Tourmanager Edek Bartz, die neue Popfest-Kuratorin Kathi Seidler, Austrofred und Fritz Ostermayer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2018)

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