Pop

Franz Ferdinand: Im Pop-Seniorenclub ist es gar nicht so fad

Elegant ins Alter: Franz Ferdinand posieren für ihr Album „Always Ascending“.
Elegant ins Alter: Franz Ferdinand posieren für ihr Album „Always Ascending“.(c) Domino
  • Drucken

Sie hatte es einst sehr eilig. Mit ihrem neuen Album ist Franz Ferdinand im Zustand der Reife angelangt: Gitarrenpop, der weiß, dass seine Geschichte vorbei ist.

„This is the start of a whole new era“: Mit diesen Worten kündigte die schottische Band Franz Ferdinand ihr neues Album an, das „Always Ascending“ heißt. Diese Art von offensivem Optimismus stimmt leicht traurig, wir denken an den Satz, der auf dem Cover von „Let It Be“ (1970) stand: „This is a new phase Beatles album.“ Oder an die gute Tony Buddenbrook, die zur Taufe ihres Neffen Hanno jubelt: „Wir Buddenbrooks pfeifen doch nicht aus dem letzten Loch, Gott sei Dank, wer das glaubt, der irrt im höchsten Grade! ( . . . ) Jetzt ist mir, als ob noch einmal eine ganz neue Zeit kommen muss!“

Als Tony B. das sagt, ist der Verfall ihrer Familie längst unaufhaltsam; als „Let It Be“ erschien, waren die Beatles schon hinüber. Und hat der namensgebende Thronfolger, bevor er nach Sarajewo aufbrach, nicht Ähnliches geäußert?

Sechs Alben in 13 Jahren

Nein, das heißt nicht, dass Franz Ferdinand als musikalisches Kollektiv zwingend dem Ende nahe sind; diese Band, die 2004 so ziemlich das Neueste, Schnellste, Stilsicherste war, was der Gitarrenpop zu bieten hatte, hat sich auch durchaus nicht fahrlässig verschlissen. Eher geschont: „Always Ascending“ ist (wenn man das Gemeinschaftsprojekt mit den Sparks mitrechnet) ihr sechstes Album. Sechs Alben in 13 Jahren – die Beatles, um beim großen Vergleich zu bleiben, haben in acht Jahren, knapp gerechnet, 13 Alben veröffentlicht . . .

Ganz ohne Bosheit: Der Gitarrenpop hat es nicht mehr eilig. Er hat – wie der Jazz, wie der Blues – seine Entwicklungsgeschichte hinter sich. Im Grunde ist alles gesagt, man kann es nur mehr anders sagen. Das gilt auch für die Musik, die Franz Ferdinand in ihren atemlosen Anfangszeiten spielten, als sie – als vorderste einer ganzen Riege von Bands, z. B. Block Party, Maxïmo Park – entdeckten, dass Gitarrenpop nicht so dröge wie der Britpop à la Oasis und auch nicht so erdig, so rockig, so hemdsärmlig wie der Grunge aus Amerika sein muss. Natürlich, das war auch nichts Neues damals. Aber es war eine originelle Wiederentdeckung der New Wave, der nervösen Punk-Funk-Fusion der späten Siebziger und frühen Achtziger. Und Franz Ferdinand wollten, dass es sich neu anfühlt. Also zogen sie sich knapp geschnittene Sakkos an, übten, die Saiten knapp anzureißen, und zwängten sich vor den coolen Clubs in die Schlange.

Was man mit 32 Jahren – so alt war Bandchef Alex Kapranos beim Durchbruch seiner Band schon! – ja noch halbwegs ohne Gesichtsverlust machen kann. Obwohl . . . „At the Over-thirties Singles Night it's bleak“, singt Kapranos im neuen Song „Lois Lane“. („Seniorenclub“ hieß eine entsprechende Veranstaltung einst im Wiener U4.) Mit 24, erklärte Kapranos in einem Interview, seien ihm solche Abende als „das Deprimierendste der Welt“ erschienen. Aber heute sei es ja auch leichter, als Popmusiker zu altern.

Deprimierend: Seit einigen Jahren scheint es das dringlichste Thema im Pop zu sein, wie man altert, altern soll, altern muss. Wobei Franz Ferdinand die Sache natürlich überdurchschnittlich gewitzt angehen: „We're going to America, gonna tell them about the NHS“ (also über das im Vergleich zu den USA noch halbwegs soziale britische Gesundheitssystem), singen sie in „Huck & Jim“ – zu einer rauchigen Gitarre, die so mühselig und beladen wirkt, dass es als ironischer Kommentar zum Thema gemeint sein muss.

Journalismus macht glücklich!

Oder? Wie schwerfällig, wie langsam sind Franz Ferdinand geworden? Setzt ihnen . . . äh, die Reife zu? Nicht arg. Gewiss, oft klingen ihre neckischen Off-beats allzu routiniert. Manchmal sogar nervend. Aber manchmal fügen sie ihren alten Rezepten ungewohnte, wenn auch nicht gerade exotische Gewürze hinzu: in „Lois Lane“ z. B. die billig glänzenden Keyboards. Darin geht es übrigens – im Zeichen der Superman-Gefährtin Lois Lane – um einen oft unterschätzten Berufsstand: „So you got an HND (einen kleineren akademischen Titel, Anm.) in journalism, because journalism could change the world, and if you changed the world, then you could be happy.“ So ist das.

Ziemlich gewitzt (und hübsch langsam) ist „The Academy Award“: Alex Kapranos surft etwas gelangweilt durchs Internet, stößt auf Fehlermeldungen („1404 – gateway not found“), Selfies, verfremdete Popzitate („love is the drag, we don't need to score“), Einsamkeit („Hikikomori“, das sind japanische Jugendliche, die in ihren Zimmern bleiben), Populärwissenschaft („The secret of longevity“). Sein Resümee ist nicht überraschend, es fasst ein altes Motiv des britischen Pop neu: Wir sind alle Stars im Film unseres Lebens, wir haben alle die Kamera in der Hand . . . „Everybody's a dreamer, everybody's a star“, hieß es einst bei den Kinks in „Celluloid Heroes“, und Kapranos klingt hier tatsächlich wissend-gerührt wie einst Ray Davies.

Keine neue Ära, aber es wirkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.