Pop

Die Maria Magdalena aus dem Lungau hört sich selbst

Teresa Rotschopf.
Teresa Rotschopf.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Teresa Rotschopf stellte im Radiokulturhaus ihr Album „Messiah“ vor.

Wenn der Pfarrer stolpert, der Festredner stottert . . . Wenn Andacht jäh unterbrochen wird, kann das leicht komisch wirken. Nicht so beim Konzert im Radiokulturhaus, bei dem Teresa Rotschopf ihr Album „Messiah“ vorstellte. Mitten im streng feierlichen, höchst getragenen Stück „Treasures“ brach sie aufgrund von technischen Problemen ab, indem sie gar nicht andächtig rief: „I hör mi net!“

Wie gesagt: Keiner lachte, keiner grinste. Auch das spricht für die hohe Gestaltungskunst dieser Lungauerin, die in ihren Songs und ihrem Auftreten eine zwischen Heiligem und Abgründigen, zwischen Versuchung und Erlösung schwankende Nervöse gibt. Eine Maria Magdalena, die ihrem Messias die Füße waschen will und sich nach der großen, übergroßen Liebe verzehrt. Die den Dieben der Sonne nachruft: Eure Herzen sind schwarz! Wenn sich diese Teresa in Zeitlupe ins Haar oder aufs Herz greift, wenn sie sich theatralisch über dem Mikrofon krümmt, würde man sich kaum wundern, wenn sie plötzlich spontan stigmatisiert würde. Die mulmige Orgel und der düster psalmodierende Chor würden das unterstützen. Alles sehr katholisch.

Gewiss, Rotschopf trägt dick auf. So dick, dass im Hörer leichter Trotz keimt: Nein, mit so durchschaubaren Mitteln will man sich nicht packen lassen! Dafür ist man doch zu aufgeklärt! Aber dann lässt man sich doch packen, spätestens wenn in „The Love Is Gone“ die Slidegitarre jäh aufseufzt wie die arme Seele der Sängerin, die entdeckt, dass sie „disconnected from everything“ ist. Noch immer ohne Ironie: Wenigstens hört sie sich. Große Übertreibungskunst, jetzt erhältlich auf überlebensdickem Vinyl. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2018)

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