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Im "Purzelbaum" steckt das Aufbäumen

Paul Skrepek (l.) und Helmut Bohatsch lernten einander 2000 bei einer Theaterproduktion kennen.
Paul Skrepek (l.) und Helmut Bohatsch lernten einander 2000 bei einer Theaterproduktion kennen.(c) Michele Pauty
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Das Duo Bohatsch & Skrepek tauscht die aufgeregte Larmoyanz der Wiener „Haaloo-Musik“ gegen Lakonik. Heute, Freitag, stellt es sein Album „Buazlbam“ vor. Ein Gespräch über das Leben, den Tod und den Sinn des Purzelns.

Es scheint mir die adäquate Fortbewegungsart im Leben zu sein“, sinniert Schauspieler und Sänger Helmut Bohatsch über den „Buazlbam“. Gemeinsam mit seinem Kompagnon Paul Skrepek hat er in die urige Wiener Gastwirtschaft Quell gelockt, um laut über die erst dritte Liedersammlung ihres Duos nachzudenken. Der Purzelbaum hält für Bohatsch eine essenzielle Botschaft bereit. „Das „bam“ kommt nicht vom „Baum“, sondern vom „aufbäumen“. Das gefällt mir. Das Leben bringt dich ins Straucheln und Purzeln, und dann bäumst du dich mit Schwung dagegen auf.“ Für beide war klar, dass es ihr Titelsong wird. Noch besser als auf dem Album, sagt Bohatsch, „taugt mir die die Urversion, die ich bei unserer Küchensession mit dem iPhone aufgenommen habe“. So eine moderne Gerätschaft würde man mit keinem der beiden assoziieren. Soziale Medien, darunter verstehen sie einen Theaterraum, ein Wirtshaus, nicht Narzissmusplattformen wie Facebook und Instagram.

Franz Schubert ist ein Vorfahr

Und so hat das erste Lied einen Helden, der schlicht dasitzt, die Welt spürt, über sie nachdenkt. „Vielleicht riach I schon Rosen oder vom frischen Brot den Duft. Der Kopf hängt schief, die Wöd is grod“, singt Bohatsch mit viel Seele. „Das dunkle Denken, des bitte loss ma“, heißt es ein andermal. Bald flüstert Bohatsch die Formel ihrer aktuellen Denkschule: „Ned zuvü denken, ned zuvü spian.“

Früher waren sie gern wild. Paul Skrepek trommelte in Free-Jazz-Kombos und Brazil-Bands. Das Musikantentum war ihm auf nahe und auf ferne Weise in die Wiege gelegt. Ins Liesinger Arbeitermilieu eingeboren, fand er Erstaunliches in seinem Stammbaum. Illegitime Beziehungen zwischen Dienstmädchen und Herrschaften machen ihn zum entfernten Verwandten von Franz Schubert, seine Brille hat ein ähnlich romantisches Gestell wie jene von Schubert. „De facto bin ich in den Dienstwohnungen der Perlmooser Zementfabrik in Liesing aufgewachsen. Dort hat mein Vater in der Werkskapelle Posaune gespielt.“ Der Vater hat ihm das erste Schlagzeug organisiert und ihn das Swingen gelehrt. An Wochenenden spielte er als Zehnjähriger mit dem Vater im Jazzkeller in Baden. Eine solide Rhythmusschule, die er später bei Jazzfestivals wie Saalfelden und Nickelsdorf deviant interpretierte.

Kollege Bohasch, ein Kind der steirischen Waldheimat, war zwischen Theater und Musik hin- und hergerissen, ehe er zunächst als Volksschullehrer arbeitete. Der Ruf des in den 1980er-Jahren hippen Serapionstheaters ereilte ihn. Er zog nach Wien, wurde Mitglied, gründete später eine eigene Truppe. Durch eine Theaterproduktion lernte man einander im Jahr 2000 kennen. Bohatsch hatte damals 14, 15 recht verzweifelte Liebesgedichte geschrieben, die nach Vertonung riefen. Warum es letztlich Skrepek wurde? „Für das, was mir vorschwebte, hielt ich ihn für den interessantesten Musiker.“ Skrepek lässt das Adjektiv ein wenig wirken, ehe er, dem offenbar das Enzym zur Verdauung von Komplimenten fehlt, repliziert. „Wahrscheinlich, weil ich der Unbefleckteste von allen bin. Ich mache immer die Arbeit, die getan werden muss, ohne mein Ego groß einzubringen. Ich unterstütze alles, so bin ich domestiziert.“

Ambivalentes zur „Famülje“

Dazu kommt ein forderndes Familienleben. Skrepek hat drei Kinder großgezogen. Bohatsch eines. Allerdings hat ihn diese Tochter zum doppelten Großvater gemacht, obwohl er noch den jugendlichen Liebhaber spielen könnte. In „Famülje“ formuliert er Ambivalentes zur Verwandtschaft. Die berauschte, aus einer Knöpferlharmonika torkelnde Melodie passt perfekt zu einem Gegenstand, der Elend und Glück umfasst.

Dass ihre vielgestaltige Musik gern unter dem vereinfachenden Begriff „Neues Wienerlied“ subsumiert wird, ist beiden eher egal. Sie haben Wichtigeres zu bedenken. Etwa den Tod, den Quiqui, wie er in Wien zärtlich genannt wird. Dieser wird in ihren Szenarien selten akzeptiert, einmal muss der Tod selbst ins Gras beißen. Mit der weinerlichen Tradition der „Haaloo-Musik“, wie sie das klassische Wienerlied gern nennen, wollen sie nichts zu tun haben. Dazu passt, das der leidenschaftliche Raucher Skrepek die Abschreckungsbildchen auf den Tschickpackerln sammelt. Skrepek weiß, dass er in der richtigen Stadt ist. „Was ich mitbekomme, ist es so, dass die Leute, die nach Berlin gegangen sind, wieder zurückkommen, weil Wien hipper ist.“ Einen Purzelbaum ins Ausland würden sie aber doch gern wagen. „Odessa wäre so ein Ort, an dem unsere Musik toll aufblühen würde.“

Nächste Auftritte: 23. März im Blue Tomato, Wien 15, Wurmsergasse 21; 17. April im Heurigen Hengl-Haslbrunner in Grinzing, Wien 19, Iglaseegasse 10.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2018)

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