Anna F.: "Ein bisserl weiblicher Macho"

Anna F
Anna F(c) Michaela Bruckberger
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Das steirische Popwunder Anna F. beweist mit ihrem Debütalbum "...for real", dass die Vorschusslorbeeren für ihre durch einen Werbespot berühmt gewordene Single "Time Stands Still" durchaus berechtigt waren.

Anna F. hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Eine heimische Bank entdeckte ihren Song „Time Stands Still“ auf ihrer MySpace-Seite, baute ihn in einen Werbespot ein und macht ihn zum Hit – ohne dass ein physischer Tonträger existierte. Fans votierten beim „Amadeus“ für sie als „Popstar des Jahres“. Zu guter letzt lud Lenny Kravitz die Newcomerin ein, auf seiner Europatournee das Vorprogramm zu geben. Als Krönung veröffentlichte sie nun ihr Debütalbum „...for real“. Es überzeugt mit fragilen Songs im Folkidiom und ein paar Krachern in konventionellerem Gewand. Mit der „Presse am Sonntag“ plauderte sie über ihre musikalischen Ursprünge, ihre Idee von Unabhängigkeit, Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page und heimische Kolleginnen.

Welche Rolle spielt Authentizität für Ihre Musik?

Anna F.: Eine große! Mir geht es darum, Inneres auszudrücken, also Gefühle und Gedanken, die echt sind. Ich lasse dem Unbewussten viel Raum. Meist gibt mir erst das fertige Lied Auskunft darüber, was mich eigentlich beschäftigt.

Eines der Highlights auf „...for real“ ist der Song „Fly“, der sich sehr poetisch mit der Hinfälligkeit des Menschen am Beispiel Ihrer Großmutter beschäftigt. Weshalb war dieses Verhältnis so innig?

Wir hatten ohne viele Worte eine tiefe Verbindung zueinander. Ich habe mich viel um sie gekümmert, als es ihr nicht mehr so gut ging und sie in einem Seniorenwohnheim in Graz lebte. Sie starb vor eineinhalb Jahren. „Fly“ entstand schon viel früher. Ich bin sehr froh, dass ich es ihr noch vorspielen konnte.

Inwieweit hat Sie das Aufwachsen in so einem beschaulichen Ort wie Friedberg geprägt?

Ich war als Kind immer nur draußen. Es war paradiesisch, weil so viele andere Kinder in der Umgebung waren. Wir bauten uns kleine Bühnen, Taschenlampen dienten als optischer Mikrofonersatz. Damals war ich ca. neun Jahre alt und hab schon ein bisserl was verdient mit der Musik. Nicht viel später machte ich meine ersten Aufnahmen mit einem Kassettenrekorder.

Von welcher Musik waren Sie als Kind umgeben?

Zunächst hörte ich das, was meinen Eltern gefiel. Das waren Reinhard Mey, Bob Dylan, Joan Baez und so. Dann entdeckte ich die Rockmusik: Led Zeppelin, Alanis Morrisette, Melissa Etheridge.

Auf Ihrem Album ist eine Hommage an Jimmy Page, den Gitarristen von Led Zeppelin. Was schätzen Sie an ihm?

Jimmy Page ist einfach der King. Seine trockenen, einprägsamen Riffs gehen mir durch und durch. Das „Greatest-Hits-Album“ von Led Zeppelin diente mir lange Zeit als Übungsvorlage für mein E-Gitarren-Training.

In Ihrer Band spielt mit Alex Deutsch ein Szeneveteran zwischen Jazz und Elektronik mit. Er produzierte Ihr Debüt. Was genau sind seine Qualitäten?

In erster Linie gab er mir Kraft und Mut. Ich dachte lange, ich könne gar nicht Gitarre spielen. Er gab mir zu verstehen, dass ich es auf meine Weise doch kann. Als Produzent hört er stets aufs Ganze. Das ist untypisch für einen Instrumentalisten. Was ich auch an ihm schätze, ist, dass wir den Pfad der 1000 Noten bewusst umgingen und es oft sehr minimalistisch anlegten.

In Ihrer Dankesrede für den Amadeus passierte Ihnen ein Fauxpas: Sie bedankten sich bei zahlreichen Sponsoren für Ihre „Unabhängigkeit“. Tut Ihnen das heute leid?

Nein, weil das falsch verstanden wurde. Manche haben es wohl falsch verstehen wollen. Heutzutage braucht man einfach Partner, wenn man nicht mit einem Major Label zusammenarbeiten will. Die Studiozeit fürs Album finanzierten wir uns mit den Erträgen aus „Time Stands Still“, jenem Song, der in einem Bankenwerbespot vorkommt. Mir ist total wichtig, dass ich mich nicht langjährig an ein Label binden muss.

Wieso ist es okay für Sie, mit branchenfremden Firmen zu arbeiten?

Am Anfang meiner Kooperation mit besagter Bank stand einfach mein Bedürfnis, mir mein Album zu finanzieren. Mittlerweile glaube ich aber, dass es nichts schadet, wenn man neue Kommunikationskreisläufe abseits der Trampelpfade der Musikindustrie ausprobiert. Wenn du einen Song in der Werbung laufen hast, dann umschiffst du auch die Auswahlkriterien, die Radios intern haben. So ein Werbespot bietet dir einfach eine große Chance.

Sie durften als Vorprogramm von Lenny Kravitz vor großem Publikum im Ausland spielen. Wie fällt da Ihr Resümee aus?

Zu Beginn hatten wir so unsere Zweifel. Man weiß ja, wie das oft ist bei Konzerten, wo die Leute nicht erwarten können, dass ihr Star auftritt. Wir waren dann aber angenehm überrascht. Wir haben sogar in England tolles Feedback bekommen.

Wie beurteilen Sie Ihre österreichischen Kollegen?

Also Soap & Skin find ich sehr, sehr stimmig. Überhaupt ist diese neue Singer/Songwriterszene total cool. Mir gefällt auch Marilies Jagsch sehr gut. Schade finde ich, dass die Österreicher oft nicht schätzen, welche gute Musik sie im eigenen Land haben.

In „Thank God I'm A Woman“ singen Sie „If I want I can make all you boys cry“. Müssen sich zart besaitete Knaben vor Ihnen fürchten?

Ich kann beruhigen. Das ist nicht ganz ernst gemeint. Aber die zentrale Aussage des Songs, dass es sehr cool ist, Frau zu sein, die stimmt auf jeden Fall.

Als Ode an die Weiblichkeit argumentiert dieser Song aber ziemlich machomäßig...

Dann bin ich wohl ein bisserl ein weiblicher Macho...

Zur Person

1985
wird Anna F. als Anna Wappel geboren, sie wächst in Friedberg, nahe Hartberg in der Steiermark, auf. Wofür das F. steht, will sie nicht verraten. Jedenfalls heißt sie nicht Friedmann mit Nachnamen, wie auf Wikipedia behauptet.

2009
kommt der Durchbruch der Sängerin, ohne dass sie einen Song veröffentlicht hätte: Sie wird durch Werbungen bekannt, Lenny Kravitz engagiert sie als Vorgruppe für seine Europa-Tournee und sie gewinnt den Amadeus Austrian Music Awards 2009 in der Kategorie „Pop“.

2010
erschien Anfang Februar ihr erstes Album „...for real“. auf ihrem Label „moerdermusic“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2010)

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