Pop

Lieder für hässliche Zeiten

Jazz. Lizz Wright, eine der großen Stimmen unserer Zeit, konzentrierte sich im Wiener Konzerthaus auf Tröstliches. Meist mit Gospeltouch.

Zu den eleganten Grooves ihrer Band schwebte Lizz Wright in einem Abendkleid mit Zebramuster ein. Das erinnerte an die Tapete der leider nicht mehr existierenden Lennox Lounge in Harlem, New York. Im Vorderteil bestand dieses Lokal aus einer langen Bar, in die praktisch jeder hineinfallen konnte. Ganz am Ende befand sich die Tür zum Heiligsten: einem Restaurant, in dem Granden aus Jazz, Blues und R&B musizierten. Die Stilvielfalt dieses Orts vereinigt Wright, eine Frau des amerikanischen Südens, in ihrer Person: Gospel, Soul, Folk, Blues und eben auch Jazz, das alles singt sie. Die Grenzen zwischen diesen Genres sprengt sie oft innerhalb eines Liedes.

Auf ihrem aktuellen, vom famosen Songwriter Joe Henry produzierten, großteils aus Coverversionen bestehenden Album „Grace“ flaniert Wrights expressive Stimme durch manch dramatische, ja wilde Landschaft. „Das Album entstand kurz nach der Wahl Trumps zum Präsidenten“, erklärte Wright der „Presse“. „Da wussten wir, dass wir Lieder mit Trostpotenzial brauchten. In politisch hässlichen Zeiten braucht es die Schönheit der Kunst umso mehr.“ Entsprechen glaubwürdig sang sie von der Dunkelheit vor der Dämmerung, schon im ersten Lied des Abends, „Barley“, in dem der Sturm zwar durch die Weizenfelder fährt, die Halme aber nicht knicken kann. Ein schönes Bild für die Beharrungskraft jenes Teils der US-Gesellschaft, der sich durch Trump nicht repräsentiert fühlt.

„Old Man“ von Neil Young

Die Orgel flirrte leidenschaftlich, als Wright „Old Man“ anstimmte, einen Klassiker aus dem Songbook Neil Youngs, der von dramatischen Lebenswendungen erzählt, in vagen, aber doch so bedeutungsvollen, für jeden Hörer anders erlebbaren Zeilen wie „Love lost, such a cost, give me things that don't get lost“, die Wright sehr innig sang.

Ein anderer Höhepunkt war Allen Toussaints „Southern Nights“, das der 2017 verstorbene Glen Campbell in den Siebzigerjahren zum Hit machte. Wrights Version war entschieden glühender. Überhaupt, egal welcher Provenienz ein Lied auch war, Wright verlieh fast jedem einen Gospeltouch. Darin ist sie der unvergessenen Bluessängerin Sister Rosetta Tharpe ähnlich, deren „Singing My Soul“ sie ebenfalls sang. Ganz zum Schluss zelebrierte sie in „The First Time Ever I Saw Your Face“ die Magie der ersten Begegnung. Standing Ovations!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2018)

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