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Bob Dylan: „Blowin' In The Wind“, sowieso

Bob Dylan
Bob DylanREUTERS
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Originaltreue? Wozu denn? Auch in Salzburg zeigte sich Bob Dylan als kluger Bastler am eigenen Werk, oft innig und zum Schluss giftig.

Kein guter Abend für Casanova in Salzburg: Bob Dylan führte den alten Sünder gleich zweimal hintereinander der Bestrafung zu, die ihm in einer Strophe von „Desolation Row“ blüht. Ob das eine tiefe Bedeutung hat?

Natürlich nicht. (Auch wenn wir Dylanisten darauf versessen sind, in Dylans Songs und deren Interpretation nach Bedeutung zu suchen.) Der 76-jährige Meister hat sich einfach versungen. Das kann vorkommen bei einem Lied aus dem Jahr 1965, das im Original immerhin zehn zwölfzeilige Strophen hat. Dylan liebt diese majestätisch-grausige Vision einer Welt aus den Fugen offenbar noch immer, sie hat schon lange einen Fixplatz in seinem Liveprogramm, seine Band spielt sie so akzentuiert, dass sich sogar in Salzburg einige kurz zum rhythmischen Klatschen mitreißen ließen . . .

So viel zur Behauptung, ein Konzert Bob Dylans sei heute nur etwas für schrullige Querköpfe. Das sagen jene, die von Dylan nur „Knockin' On Heaven's Door“ und „Blowin' In The Wind“ kennen und diese auch nur erkennen (würden), wenn sie in der Originalmelodie vorgetragen werden.

Was man freilich nicht erwarten kann. Spätestens seit Beginn seiner Never Ending Tour (also seit 1988) feilt und raspelt Dylan seine Songs fleißig um, Tempo, Melodien und Rhythmus sowieso, manchmal sogar die Worte. Da wird in „Tangled Up In Blue“, dieser sowieso höchst verwirrenden Erzählung von Liebe, Trennung und Wiedersehen, die dritte zur ersten Person und umgekehrt, egal, solange das lyrische Ich am Schluss noch immer unterwegs ist und seine Auflösung bekannt gibt: „We always did feel the same, we just saw it from a different point.“

Und das tut es. Das tut Bob Dylan. Auch wenn er das traurige „Trying To Get To Heaven“ mit geradezu wienerischer Schicksalsergebenheit singt, als würde er sagen: Wenn es keine fahrenden Spieler und/oder keinen Wein mehr gibt in dieser Welt, dann geh' ich halt heim . . . Wenn er „Love Sick“ fast versöhnlich bringt, dafür in „Honest With Me“ aufbraust und in „Simple Twist Of Fate“ innig murmelt, während seine fantastische Band eine Abendlandschaft in goldbraunen Farben malt. Er selbst ist zum versierten Pianisten geworden, der sich selbst klug und lässig begleitet und akzentuiert, Zeilen hervorhebt, etwa im trocken swingenden „Duquesne Whistle“ die jähe Marienerscheinung: „Must be the mother of our lord!“

Dreimal Sinatra. Die Zahl der Sinatra-Songs – die er stehend, ohne Klavier singt – hat er weise auf drei reduziert. Dylan legt all seine Ausdruckskraft in sie, als wollte er sagen: So schlicht, so selbstverständlich, dabei so berührend können Songs sein! Seine eigenen kann er kaum so unschuldig sehen und singen, von „Soon After Midnight“ (in dem auch Maria vorkommt!) vielleicht abgesehen, und von „Blowin' In The Wind“ natürlich, das derzeit keltischer denn je klingt.

Dann noch „Ballad Of A Thin Man“: Dylan, den Hut längst vom Kopf, höhnt die Unwissenden, als sei die Welt noch, wie sie 1965 war, als er jung und gnadenlos war. Dieselbe Frisur, dieselben Worte, dasselbe Gift. Kein Satz ans Publikum, keine Verbeugung. Weiter auf der Straße.

SETLIST

1. Things Have Changed
2. Don't Think Twice, It's All Right
3. Highway 61 Revisited
4. Simple Twist of Fate;
5. Duquesne Whistle
6. Melancholy Mood
7. Honest with Me
8. Tryin' to Get to Heaven
9. Come Rain or Come Shine
10. Pay in Blood
11. Tangled up in Blue
12. Early Roman Kings
13. Desolation Row
14. Love Sick
15. Autumn Leaves
16. Thunder on the Mountain
17. Soon after Midnight
18. Long and Wasted Years
19. Blowin' in the Wind
20. Ballad of a Thin Man

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2018)

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