Pop

Paint it black: Beyoncé, Jay-Z und die Mona Lisa

Postkoloniales, gegendertes Triumvirat der Ikonen: Das neue Video „Apeshit“ spielt im Louvre, das Album kam unter dem Pseudonym „The Carters“ heraus.
Postkoloniales, gegendertes Triumvirat der Ikonen: Das neue Video „Apeshit“ spielt im Louvre, das Album kam unter dem Pseudonym „The Carters“ heraus. (c) Sony Music
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Das neue Musikvideo von Beyoncé und Jay-Z spielt im Louvre. Dazu singen sie: "I can't believe we made it". Und zeigen Gemälde, die von Kolonialismus, Sklaverei und Beutekunst erzählen. Ein ambivalentes Machtspiel.

Am Ende, das mag vielen heutigen Politikern in Erinnerung gerufen werden, sind es Kunst und Architektur, die unser Geschichtsverständnis prägen. Das ist, was bleibt. Siehe Museen. Wir glauben, die Vergangenheit war weiß und männlich und glorios, garniert mit nackten weißen Frauen. Was sie jedenfalls war: Manipuliert von diesen mächtigen Männern, Herrschern, Millionären, die diesen Eindruck, dieses „Image“ zu produzieren vermochten.

Es bedurfte Jahrzehnte zäher kunsthistorischer Aufklärungsarbeit, Dutzender feministischer, queerer, postkolonialer Kunst-Biennalen wie der gerade laufenden „10. Berlin Biennale“ (Motto des fünfköpfigen schwarzen Kuratorenteams: „We Don't Need Another Hero“) oder Initiativen wie „The Shape of Time“ im Wiener Kunsthistorischen Museum (wo u.a. Kerry James Marshalls Bild einer schwarzen Halbnackten neben Tintorettos „Susanna im Bade“ hängt), um auf dieses Missverhältnis von historischer und bildgewordener Realität spürbar zu machen. Oder es bedarf genau eines Musikvideos.

In nur wenigen Tagen hat das Video zur Single „Apeshit“ des schwarzen Powercouples der US-Musikwirtschaft, Beyoncé und Jay-Z, rund 38 Millionen Zugriffe auf YouTube erhalten. Zum Vergleich: In den Louvre gehen pro Jahr rund zehn Millionen Menschen. Genau in diesem Museum spielt sich diese denkwürdige Inszenierung nämlich ab, die von der Musikszene schon ausführlich analysiert wurde – das Überraschungsalbum ist der dritte Teil einer Selbstmythologisierung dieses sonst als Solisten singenden Ehepaares, das nach den Krisen, die in den vorherigen Einzelalben der beiden thematisiert wurden, jetzt hier glücklich zusammenfindet („Everything is love“).

Verlockende Repräsentation

Das sicher bestverdienende Ehepaar des Popbusiness braucht zur Darstellung seiner Macht jetzt dementsprechende Repräsentation. Und dazu dient die Bildsprache dieses über sechsminütigen Videos. Sie erzählt, was wir vor einigen Monaten schon vom zweiten mächtigen schwarzen US-Paar vorgeführt bekamen, den Obamas, als sie ihre offiziellen Präsidenten-Porträts präsentierten. Sie verweigerten sich nicht etwa gar der abendländischen Kunstgeschichte, die sie bisher wenig freundlich behandelte. Sie bedienen sich ihrer Sprache, nehmen sich wie selbstverständlich ihren Platz.

Es ist also kein Zufall, dass Beyoncé und Jay-Z am Beginn des Videos frontal vor der Mona Lisa posieren. Gleichberechtigt, Mann und Frau, flankieren sie regungslos, selbst zu Kunst erstarrt, die bisherige Ikone unseres kollektiven Gedächtnisses. Das soll weniger Kampfansage sein als ein Bündnis der Ikonen. Wie Untote heben sich später schwarze Tänzer von den Stufen der breiten Louvretreppe, um ihren Herrschern willenlos am Rücken liegend zu gehorchen. Versklavung ist in Rap-Musikvideos eben relativ.

In diesem Zusammenhang bekommt das Faible der „Carters“, so das Familiennamen-Pseudonym, unter dem sie dieses erste gemeinsame Album veröffentlichten, für Napoleons Lieblingsmaler Jacques Louis David fast einen Schrecken. In weiteren Szenen sieht man die beiden vor seinen Gemälden „Die Krönung Napoleons“ und „Porträt Madame Récamier“. Die Krönung Napoleons war bekanntlich ja eine Selbstkrönung, was hier sicher eine Rolle spielt. Und Madame Récamier war das It-Girl ihrer Zeit, zu deren Füßen jetzt zwei schwarze Tänzerinnen mit weißem, zusammenhängenden Turban-Tuch gesetzt wurden – eine Anspielung auf den Kopfschmuck in einem der wenigen Einzelporträts einer Schwarzen in der Kunstgeschichte, noch dazu von einer der seltenen Malerinnen, Marie-Guillemine Benoist, die um 1800 eine namenlose, aber selbstbewusste Schwarze zeigte. Die Sklaverei war damals gerade abgeschafft worden, das Bild wurde 1818 von Ludwig XVIII. angekauft. Der Kolonialist Napoleon führte die Sklaverei wenig später wieder ein. Er machte auch die Kunstsammlung im Louvre öffentlich zugänglich. Inklusive aller Beutekunst natürlich. In mehreren Einstellungen sieht man Beyoncé oder Jay-Z vor derlei stehen, etwa der Nike von Samothrake oder einer Sphinx.

Von all dem ist nicht direkt die Rede in dem Lied, in dem es immer wieder heißt: „I can't believe we made it“. Angesichts des Ortes und der Bilder im Hintergrund darf man das nicht nur auf ihr privates Happy End beziehen. Sondern auch auf eine Art soziales: Wir haben erreicht, von dem alle glauben, es sei der Gipfel an Macht und Kultiviertheit. Dass die Carters wissen, dass sie damit auch den Gipfel an Kolonialismus und Sklaverei nobilitieren, dass das alles durchaus auch „Apeshit“ ist (obwohl das im Zusammenhang des Liedes so etwas wie „total verrückt“ heißt), darf zumindest aus mancher stummen Bildwahl geschlossen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2018)

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