Pop

Glockenheller Protest gegen Trump

Hat sie auf ihrem Debütalbum von 2015 noch in liebeskranker Melancholie gebadet, so geht es Natalie Prass jetzt um Gesamtgesellschaftliches.
Hat sie auf ihrem Debütalbum von 2015 noch in liebeskranker Melancholie gebadet, so geht es Natalie Prass jetzt um Gesamtgesellschaftliches.(c) Tonje Thileson
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Natalie Prass ermuntert auf ihrem luxuriös tönenden Album „The Future And the Past“ mit faszinierender Piepsstimme zu weiblicher Solidarität und politischem Umdenken.

Natalie Prass, 32-jährige Singer-Songwriterin aus Cleveland, Ohio, verfügt zwar über die faszinierendste Piepsstimme seit ewigen Zeiten, ist aber von der Persönlichkeit her alles andere als ein unbedarftes Wesen. Als sie gerade in der Schlussgeraden zu ihrem zweiten Album war und Trump zum 45.Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, da warf sie alle Songskizzen über den Haufen. Sie beschloss, an Hymnen des täglichen Widerstands zu tüfteln. Und tanzbar sollten sie auch noch sein. „Einige meiner liebsten Protestalben sind extrem funky. Du tanzt und plötzlich denkst du dir: Hey, die singen ja über Gentrifizierung“, erklärte sie jüngst einem britischen Musikmagazin.

Prass brachte ihr Unbehagen auf die Tanzfläche. Mit „Sisters“ etwa, einem feministischen Ermutigungssong, der sich zum Ziel setzt, naive Mädchen und ledige Mütter genauso anzusprechen wie „nasty women and bad girls“. Weibliche Solidarität ist gefragt, in vordergründig aufgeklärten Zeiten, wo Mädchenmagazine immer noch ein Frauenbild kommunizieren, in dessen Zentrum das „Streben nach Schönheit“ und die „Fürsorge für andere“ steht. Das Klavier perlt nachdenklich, der Bass hüpft seltsam fröhlich, während Prass ihre Forderung platziert: „I wanna say it loud for all the ones held down. We gotta change the plan. Come on nasty women, so all the bad girls here, keep your sisters close, you gotta keep your sisters close to ya.“ Ein neunköpfiger Mädchenchor unterstreicht die Dringlichkeit ihres Ansinnens.

Dass das Album „The Future And the Past“ heißt, hat damit zu tun, dass Prass und ihr Schulfreund und Produzent Matthew E. White, selbst ein hoch erfolgreicher Neo-Soul-Mann, musikalische Quellen der Vergangenheit anzapfen und sie für die Zukunft fit machen. Ältere Hörer fühlen sich immer wieder an die späten Siebzigerjahre erinnert, als Boz Scaggs, Billy Joel und Criss Cross einen sanften, aber irgendwie doch treibenden Pop ersonnen haben, der seit einigen Jahren als „Jachtrock“ bezeichnet wird. Prass polt diesen Luxussound vom Egotrip zum Altruismus um.

Unwiderstehliche Disco-Anmutung

Hat sie auf ihrem Debütalbum von 2015 noch in liebeskranker Melancholie gebadet, so geht es Natalie Prass jetzt um Gesamtgesellschaftliches. „We'll take you on, we can take you all slowly rising up“, verspricht sie im geheimnisvoll wabernden „Hot for the Mountain“. In Zeiten, in denen Divadonnerstimmen à la Beyoncé die Hitparaden regieren, ist das glockenhell, aber unaufgeregt intonierende Organ von Prass eine Labsal der Sonderklasse. Die behutsamen Grooves, die einmal einen Jazz-Funk-Vibe abstrahlen, dann wieder mit unwiderstehlicher Disco-Anmutung charmieren, erinnern an optimistischere Zeiten.

An dieser Stelle „retro“ zu murmeln trifft es nicht. Obwohl die zwölf Songs Anklänge an Disco, Smooth Soul, Brit-Funk, Jazz-Harmonik und zuweilen sogar ans Frühwerk von Janet Jackson haben, hat hier nichts einen Bart. Alles klingt frisch und zukunftsorientiert. Kein Wunder, geht es trotz der Behandlung schwieriger Themen letztlich doch auch um die Liebe als potenzielle Kraft der Veränderung. „Mit diesem Album will ich die Menschen nicht deprimieren, im Gegenteil, ich will ihnen Hoffnung machen, Mut machen, kreativ zu sein“, so Prass.

Der hitverdächtige Titel „Short Court Style“ beschreibt die Liebe als die ideale Kur in harten Zeiten. Was für eine formschöne Disco-Soul-Nummer mit Juchzern und Handclaps, mit hüpfendem Bass und verführerischem Refrain! „Round and round, had ups and downs, no but I can't be without my love that I've found.“ Die Spiralen der Erinnerung und der Erwartung formen hier einen seltsamen Gleichklang. Furchtlos stellt Prass das Schwache in ihrer Stimme aus, um es zu einer Waffe zu formen. Den politischen Kurs der USA reflektierend, singt sie in beinah kindlichem Duktus „It's crazy to see a ship going down“.

Das alte Diktum von Laotse, dass das Weiche letztlich über das Harte siegen wird, es hat in Natalie Prass eine überzeugende Protagonistin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2018)

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