Pop

Jazz: Nubiens König und viele Queens

„Ich bin nach dem nubischen König Shabaka benannt“: Shabaka Hutchings, geboren 1984 in London, ist großteils in Barbados aufgewachsen. Heute ist er Teil der sehr lebendigen Jazzszene Londons. Am Samstag spielt er beim Jazzfestival Saalfelden – als Gast der österreichischen Formation Shake Stew.
„Ich bin nach dem nubischen König Shabaka benannt“: Shabaka Hutchings, geboren 1984 in London, ist großteils in Barbados aufgewachsen. Heute ist er Teil der sehr lebendigen Jazzszene Londons. Am Samstag spielt er beim Jazzfestival Saalfelden – als Gast der österreichischen Formation Shake Stew.(c) WWW.TOMBARNES.CO
  • Drucken

Jazz. Eher provinziell wird das einst so wichtige Festival in Saalfelden heuer. Eine Ausnahme: Shabaka Hutchings. Mit der „Presse“ sprach er über Afrika und weibliche Geschichte.

Einst strahlte das Jazzfestival Saalfelden weit über den Pinzgau hinaus, nun scheint es auf dem Abstieg in die Regionalliga. Die große Verbeugung vor der Jazzgeschichte brauche es nicht mehr, erklärte Intendant Mario Steidl jüngst dem ORF: „Dafür ist unser Festival eigentlich nicht da. Wir versuchen, die großen Namen von morgen schon heute zu präsentieren.“

Doch genau das passiert nicht. Die beiden kreativen Zentren des zeitgenössischen Jazz wurden schon in den vergangenen Jahren vernachlässigt: Weder die Szene um den massenhaft junge Hörer anlockenden US-Saxofonisten Kamasi Washington noch die Londoner Musiker, die den Jazz derzeit radikal neu denken, waren in Saalfelden. Stattdessen setzt man verstärkt auf heimische Kräfte, die ohnehin das ganze Jahr über zu sehen sind. Ob das gut gehen kann?

Heuer findet man im Saalfelden-Programm gerade zwei Musiker von wirklicher internationaler Größe: Marc Ribot aus New Jersey, den alten Rabauken der Jazzgitarre, mit Partisanenliedern. Und den 33-jährigen britischen Saxofonisten und Klarinettisten Shabaka Hutchings. Er kommt aber nicht mit einer seiner drei bahnbrechenden Bands, er ist bloß als Gast der heimischen Combo Shake Stew geladen.

Das ist schade, gilt Hutchings doch als der neue Renaissancemann des Jazz. Seine weltmännische stilistische Breite gründet in seiner Kindheit. In Großbritannien geboren, in Barbados aufgewachsen (und mit 16 wieder in Birmingham gelandet), war er als Einzelkind viel allein. Computerspiele verbot ihm die Mutter, also stürzte er sich auf Musik, spielte Klarinette zum Hip-Hop von 2Pac und Biggie Smalls. Jazz mochte er erst gar nicht. Doch dann nahm ihn seine Mutter auf ein Konzert von Courtney Pine mit, wo er backstage den nur wenige Jahre älteren Saxofonisten Soweto Kinch kennenlernte.

Auf der Suche nach Mythen

Kinch öffnete ihm die Tür ins weite Land des Jazz. Bald gründete Hutchings eigene Bands, etwa Sons Of Kemet. Woher kommt der Bandname? „Ich habe meinem eigenen Namen nachgeforscht“, erklärt er der „Presse“: „Ich bin nach dem nubischen König Shabaka benannt. Dieser hatte seine religiösen und philosophischen Gedanken in einen Stein meißeln lassen. Im Lauf der Jahrtausende beschäftigten sich immer wieder Menschen mit der Entzifferung der Inschriften des Shabaka-Steins. Das Andocken an diese alte Kultur wird Kemetismus genannt. Und weil meine Vorbilder wie Sun Ra und Pharoah Sanders sich damit schon in den Sechzigerjahren beschäftigt haben, dachte ich, dass das ein guter Bandname wäre.“

In den Schriften des afrozentrischen Musikers und Denkers Sun Ra überzeugte ihn auch die Idee, dass nur Gesellschaften, die ihre eigene Mythologie entwerfen, sich behaupten können. „Meine erste Frage vor den Aufnahmen meines neuen Albums ,Your Queen Is a Reptile‘ war: Sind wir noch fähig, eigene Narrative zu entwickeln?“ So suchte Hutchings nach einer weiblichen Geschichte, die von der patriarchalischen Gesellschaft negiert werde: „Ich habe darüber gegrübelt, welche Frauen mich inspiriert haben. Als Resultat habe ich Frauen wie Harriet Tubman, Angela Davis und Ada Eastman symbolisch in den Adelsstand gehoben. Sie sind meine Queens – und nicht Queen Elizabeth II.“

In den letzten Jahren spielte Hutchings nicht nur mit dem Sun Ra Arkestra, sondern auch mit afrikanischen Meistern wie Mulatu Astatke und King Sunny Adé. „Das war ein neues Abenteuer für mich“, sagt er: „Bei ihnen geht es darum, mit wenigen Noten auszukommen. Aus der Grenzenlosigkeit der Improvisation kommend, genoss ich die Beschränkungen etwa des äthiopischen Jazz. Sie schenken dir eine ganz eigene Freiheit.“

Kann Jazz noch eine Kraft für politische Veränderung sein? Hutchings ist da vorsichtig: „Nicht im wörtlichen Sinn. Man platziert nur eine Stimmung in die Leute, die zuhören. Wenn man Glück hat, interpretieren sie die Welt danach anders.“

So darf man in Saalfelden wenigstens von Shabaka Hutchings Aufregendes erwarten. „Wenn ich Altsaxofon spiele“, verspricht er, „dann herrscht im Grunde Anarchie. Da brechen oft neue Dinge aus mir heraus.“

39. Jazzfestival Saalfelden: 23. bis 26. August, über 40 Konzerte auf neun Bühnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.