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Musik für Godard und kleine Kinder

Martial Solal im Jahr 1955.
Martial Solal im Jahr 1955. (c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Der französische Jazzpianist Martial Solal verzauberte zum 25-jährigen Jubiläum des Porgy & Bess.

Genau vor 25 Jahren, am 26. September 1993, eröffnete Gitarrist Karl Ratzer an der alten Location in der Spiegelgasse den Konzertreigen des Porgy & Bess. „Es gibt uns trotz der Kulturpolitik immer noch“, merkte Maître Christoph Huber vor dem Konzert an. Mehr als 1,7 Millionen Besucher haben das weit über die Grenzen bekannte Jazzetablissement bislang besucht. Zum Jubiläum hat man sich etwas ganz Spezielles geleistet, den 91-jährigen französischen Pianisten Martial Solal. Den Filmfreunden ist er u. a. als Schöpfer des Soundtracks zum Jean-Luc-Godard-Kultfilm „À bout de souffle“ („Außer Atem“) bekannt. Für Jean Seberg und Jean-Paul Belmondo war es der Beginn ihrer Schauspielkarriere.

Für den in der damaligen französischen Kolonie Algerien geborenen Pianisten Solal war der Erfolg dieses Nouvelle-Vague-Films ebenfalls wie ein Lottogewinn. Damals war er Hauspianist im Saint-Germain-Jazzclub, der dort verkehrende Regiestar Jean-Pierre Melville empfahl Solal dem jüngeren Kollegen Godard. Die Sache klappte. Godard war innovativ, vergaß aber nicht aufs Geschichtenerzählen. Das tut auch Solal in der Musik.

Ellington und „Bruder Jakob“

Sein Solokonzert im Porgy begann er mit einer enigmatischen Interpretation von „My Funny Valentine“. Die alten Finger huschten flink übers Manual. Solal erzielte mit Auslassungen genauso viel Drama wie mit den bedacht gesetzten Noten. Die Originalmelodie schimmerte immer wieder durch die vitalen Improvisationen. Mit einem Zettelchen, auf dem das musikalische Abendmenü verzeichnet war, trat er schelmisch vors Mikrofon: „Jeder kennt diese Stücke, sogar ich. Aber versuchen Sie sie jetzt nicht zu erkennen.“ Er zelebrierte neben Klassikern wie Duke Ellingtons „Take The A Train“ und Cole Porters „What Is This Thing Called Love?“ auch Kinderliedartiges, „Tea For Two“ etwa oder „Frère Jacques“. Lustvoll changierte er zwischen Intellektualisierung und Regression. Die Verspieltheit alter Männer ist oft philosophisch grundiert, so auch hier. Eine Konzertdelikatesse!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2018)

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