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Conchita: Das Dilemma der Dramaqueen

Die große musikalische Geste will Tom Neuwirth alias Conchita hinter sich lassen.
Die große musikalische Geste will Tom Neuwirth alias Conchita hinter sich lassen. (c) APA/HANS PUNZ
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Im Konzert mit den Symphonikern gab Tom Neuwirth noch einmal die große Diva. Was bleibt, wenn er das aufgibt?

Die begonnene Transformation der Kunstfigur Conchita war augenfällig, als sie im Konzerthaus die Bühne betrat: Statt in der glänzenden Robe steckte sie in hautenger Hose, die langen Haare streng zurückgebunden, die muskulösen Oberarme in ein samtenes Kurzarmhemd gehüllt. Klaren Geschlechtszuschreibungen hat sich die bärtige Diva schon immer neckisch entzogen – und ist damit zu einer Ikone geworden. Seine feminine Seite habe er nun genug ausgelebt, sagte Tom Neuwirth, der Mann hinter der Figur, in Interviews.

Die Dramaqueen in sich ließ er im Konzert mit den Wiener Symphonikern dennoch aufleben. Wobei es auch damit bald vorbei sein soll. „Das ist das Ende einer langen Reise“, eröffnete er den Reigen durch jene Lieder, die er schon als Bub auf dem Dachboden mitgeträllert habe: epische Powerballaden, Filmhits mit ausladenden Melodien, bombastische Stimmvehikel. In Zukunft will er musikalisch neue Wege gehen, in einem gemeinsamen Album mit dem Orchester („From Vienna with Love“) und bei dessen Präsentation im Konzerthaus bot er noch einmal jenes Repertoire dar, für das seine Erfindung Conchita wie geschaffen scheint.

Dabei wurde auch das Dilemma deutlich, das dieser innewohnt: Das Konzept Conchita lebt vom üppigen Glamour, der monumentalen Geste. Seit jeher zieht Conchita mehr durch ihre Aura als durch stimmliche Brillanz in ihren Bann. Was bleibt, wenn Neuwirth das aufgibt? Seit „Rise Like a Phoenix“ ist ihm kein nennenswerter Hit geglückt. Auf Tour will er sich nun im elektronischen Fach ausprobieren. Die Nachfrage dürfte enden wollend sein; in Deutschland wurden fast alle Termine abgesagt.

Zugleich erschöpft sich das Drama, mit dem Conchita (noch) punkten kann. Die orchestral angereicherten Balladen, die etwa bei der Festwocheneröffnung 2017 – der anstoßgebenden Kooperation mit den Symphonikern – veritable Höhepunkte abgegeben haben, verlieren, verschwenderisch aneinandergereiht, bald ihren Reiz. „From Vienna with Love“ verkommt mit den soliden, aber letztlich unaufregenden Arrangements zu einer stromlinienförmigen Schmalzparade.

Kandisin und „All by Myself“

Das hinderte Neuwirth nicht daran, deren viele große Momente ausgiebig auf der Bühne zu zelebrieren. Wie mit Kandisin gedopt säuselte er „The Sound of Music“, inbrünstiger schmetterte er Bond-Songs und „The Show Must Go On“. Am besten ist die Symbiose aus Diva und Orchester in „All by Myself“ aufgegangen, dem die Symphoniker Rachmaninows 2. Klavierkonzert vorangestellt haben, auf dem die Einsamkeitsballade basiert. Dass Neuwirth stimmlich – v. a. in den zarteren Momenten – den Symphonikern unter Guido Mancusi nicht gewachsen war, machte er mit kraftvollen Manövern wett. Emotionales Highlight des Abends: „Purple Rain“, für das er sich auch Martin Zerza und Monika Ballwein, Weggefährten seit „Starmania“-Zeiten, auf die Bühne holte.

„Für mich soll's rote Rosen regnen“ wirkte danach nur lieblos dahingehudelt, brachte Neuwirth aber einen Rosenregen aus dem Publikum ein, der ihn ehrlich zu rühren schien. Vielen bedeutet Conchita unheimlich viel. Nicht nur für sie bleibt zu hoffen, dass die Figur ihre Transformation überlebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2018)

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