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Böhmermann in Wien: „Herbert K., du Vorzimmer-Rassist“

APA/GEORG HOCHMUTH
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Politischer Schlager. Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann teilte bei seinem einzigen Österreich-Auftritt in zwei neuen Liedern gegen den Innenminister und die FPÖ aus.

Jan Böhmermann liegt viel an Österreich. Das spürt man in seiner ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale", das liest man aus vielen seiner Tweets, und das war auch beim einzigen Österreich-Konzert am Mittwochabend im Wiener Gasometer zu merken. Seit Jänner ist er in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tour mit dem 15-köpfigen Rundfunkorchester Ehrenfeld, was zwar nach Max Raabe oder Comedian Harmonists klingt, aber, wenig überraschend, eher nichts mit diesen Big-Bands zu tun hat.

Sprachlich an das Publikum angepasst war schon Böhmermanns Begrüßung: „Österreich, heute Abend kill ich dich, du Hurenkind!“; und es folgte noch mehr Lokalkolorit: „Was gibt es Schöneres, als einem hageren Deutschen an Falcos Todestag dabei zuzuhören, wie er sich über Österreich lustig macht?“ Er habe „das ungute Gefühl, dass Deutsche im Raum sind“, deshalb wolle er an diesem „politischen Schlagerabend“ musikalische Brücken bauen zwischen Piefkes und Ösis.

"Ein kleiner Strache steckt in jedem"

Zu seinem Repertoire gehören schön länger (auch in seiner Sendung) Anspielungen auf die gemeinsame österreichisch-deutsche Geschichte, sie kamen auch an diesem Abend: „München ist nur eine halbe Panzerstunde von Salzburg entfernt, aber diesmal muss es ja nicht so weit kommen.“ Oder: „Wenn ein abgebrochener deutscher Künstler mit Schnurrbart in Österreich gut ankommen würde, das wäre die historische Rache.“ Als er gegen Ende die Frage stellt: "Warum definiert sich Österreich in seinem Namen nur über die Lage zu Deutschland?" und die Reaktion verhaltener bleibt, sogar vereinzelt Buhrufe zu hören sind, sagt er: "Na, jetzt werden aber die ersten Mistgabeln gespitzt. Ja, ein kleiner Strache steckt in jedem."

Mit Sonnenbrille, Schnauzbart, langem Pelzmantel und Goldglitzerhose war er fast pünktlich um 20:15 Uhr auf die Bühne gekommen und hatte klargestellt, worum es an diesem Abend eher nicht gehen sollte: um musikalische Exzellenz. Seine erste gesungene Textzeile lautete nämlich: „Sollte ich, bevor ich sterbe, ein echter Sänger werden“ Böhmermann weiß: Selbstironie zieht in der Generation YouTube und Instagram immer noch am besten.

„Wie ein geschrumpfter Reinhard Mey“

Nach bekannten Hits, wie dem Gaga-Song „Baby Got Laugengepäck“ oder dem ernsteren Arbeiterlied „Wir sind die Versandsoldaten“ folgte eine Überraschung: Böhmermann hatte zwei Lieder für das Wiener Publikum im Gepäck, die er so einleitete: „Ich freue mich, endlich mal Spaß in Österreich zu machen, weil ich habe das Gefühl, ihr habt das nötiger.“ Den in Österreich weniger bekannten Song über den zu klein geratenen deutschen Polizeigewerkschafter Rainer Wendt (der sich wegen  Untreue verantworten musste) dichtete er auf Österreichs Innenminister um – was das Wiener Publikum mit lautem Jubeln und Johlen quittierte, ihm seither im Netz allerdings auch viel Kritik einbringt.

Da heißt es: "Seine Klappe war so groß, wie sein Körper mini,
darum ist er jetzt der Chef im schwarzblauen BMI.
In der ZiB 2 und im Hangar und auf Haiders Schoß da saß er,
dass Österreich demokratisch ist, irgendwann vergaß er's,
er will für Menschen wieder Lager, und zwar konzentrierte (...)
Politik folgt nicht dem Recht, sondern das Recht der Politik,
meint der Innenminster Europas mit dem größten Ego und
dem erwiesenermaßen kleinsten Glied"
.

Und der Refrain ging so: "Wer fürchtet sich vor Wahrheit und einer freien Presse, wer schwingt gern große Reden auf rechtsextremen Kongressen, wer denkt, ihm selbst persönlich, gehört die Polizei und sieht dabei so aus wie ein geschrumpfter Reinhard Mey...
Herbert K., du bist ein rechter Fasschist,
Herbert K., du kleiner Vorzimmer-Rassist.

Gleich darauf (Böhmermann hätte es womöglich so formuliert: “Im Anschluss”) folgte die Anti-FPÖ-Hymne „Das Volk ist wieder im Nationalrat zurück“, in der Böhmermann mit dezentem österreichischem Akzent darüber sang, „wenn Kneissl holpert und Hofer stolpert“ und schließlich auch einen Seitenhieb auf Österreichs Bundeskanzler parat hatte: „Bald wird hier alleine regiert – solange Sebastian Kurz schweigt.“

Böhmermanns Satire funktioniert deswegen besser als die anderer, weil sie Erwartbares mit Überraschendem mischt und so direkt Kritik an rechtspopulistischen Politikern formuliert, wie aktuell und vor allem in Österreich kaum jemand. Dass sie dabei zu Redundanzen und Banalität neigt, ist schade, aber gleichzeitig auch geschenkt, denn das ihm gewogene Publikum verzeiht ihm das. Es ist dankbar, dass sich da einer traut, politische Realitäten wenn auch sehr zugespitzt anzusprechen. Wobei die Politik eigentlich nur einen kleinen Teil in dieser Show ausmachte - nur ohne Politk zieht sich der Abend. Die zum Teil sehr deutschen Gaga-Songs (die an Stefan Raab und Otto Waalkes erinnern) und Rap-Satiren funktionieren im Netz besser als auf einer Bühne. Die Zeilen seines netz-bekannten Raps "POL1Z1STENS0HN", den er mit ins Gesicht gezogenem Kaputzenpulli performt (weil singen kann man das nicht nennen), waren beim Wien-Auftritt kaum zu verstehen. 

Überhaupt war die Akkustik dürftig. Und es war sehr viel „Neo Magazin Royale“ drin in diesem Abend, mit Auftritten von Florentin Will und Einspielern von William Cohn, der sonoren Stimme der Sendung. Allerdings gelang es Komödiantin Julia Becker in der großen Gasometerhalle leider nicht, die an sich starke feministische Botschaft aus ihrer im Netz erfolgreichen „Scheiden“-Hymne („Wir haben eine Scheide, schuld ist unsere Scheide“) zu transportieren. Das Lied ging richtig unter. 

Erst gegen Ende des Abends spielte Böhmermann sein derzeit vermutlich  bekanntestes Lied, die Schlagerparodie „Menschen Leben Tanzen Welt“, eine von Affen „komponierte“ Aneinanderreihung von Kalendersprüchen. Das trotz seines Nonsens-Textes so erfolgreich wurde, wie Böhmermann nicht müde wird zu betonen (wie auch kürzlich bei "Willkommen Österreich"), dass es sogar eine italienische Restaurantkette in Dauerschleife spielt. Und plötzlich stand Mizzy Kramer von Bilderbuch auf der Bühne und legte ein kurzes Gitarrensolo ein. Der Rest der Band rund um Maurice Ernst lauschte und klatschte im Publikum.

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