Pop

Verstörende Selbstgespräche von Jane Birkins Tochter: „Soliloquy“

Die Französin singt Englisch und bezirzt mit cooler Attitüde, die keineswegs aufgesetzt wirkt.
Die Französin singt Englisch und bezirzt mit cooler Attitüde, die keineswegs aufgesetzt wirkt.(c) Universal
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Prominentenkinder in der Musikbranche sind oft eine Plage. Nicht so Lou Doillon. Sie singt Englisch und zeigt keine Chansonsentimentalität, sondern raue Attitüde.

Ein schepperndes Gitarrenriff, das in die Eingeweide fährt, und eine charismatisch raue Stimme locken unwiderstehlich in eine Gegenwelt: „No matter where I stray, no matter what I say, the dream's always stronger than the real.“ Der Song heißt „The Joke“ und ist eines von vielen Highlights auf Lou Doillons erst drittem Album. Die Französin singt Englisch und bezirzt mit cooler Attitüde, die keineswegs aufgesetzt wirkt.

Für gewöhnlich sind Prominentenkinder ja eine Plage in der Musikbranche. Minder talentiert, dafür mit einem Riesenego ausgestattet, stümpern sie vor sich hin. Die Liste der erfolglosen Stammhalter ist lang. Bei der schon in den Sechzigerjahren nach Paris ausgewanderten britischen Schauspielerin Jane Birkin liegt die Sache gänzlich anders: Charlotte, ihre Tochter mit Serge Gainsbourg, ist eine intensive Schauspielerin und ein interessante Antisängerin. Und Lou Doillon, deren Vater der Regisseur Jacques Doillon ist, ist als Musikerin noch überzeugender. Sie hat früh gelernt, dass kreative Kunst harte Arbeit ist und Disziplin voraussetzt. Vielleicht hat sie deshalb viele Jahre als Model und als Schauspielerin, in Kindesjahren sogar unter der großen Regisseurin Agnès Varda, vergeudet. Erst mit 30 hat die heute 36-Jährige ihr erstes Album veröffentlicht. Ein Song davon, das glühende „I.C.U.“, krabbelte die Charts hinauf.

Das nun erschienene „Soliloquy“ (zu Deutsch: „Selbstgespräch“) ist ihr bislang bestes Opus. Stücke wie das minimalistisch instrumentierte „All these Nights“ charmiert mit Old-School-Anmutung. Psychedelische Keyboardsoli und trockene Rhythmen umrahmen Doillons angenehm heisere Stimme, die sich später im akustischen „It's You“ um jene von Indie-Pop-Queen Cat Power schlingelt. Lou Doillon sucht in ihren Liedern das Gewöhnliche, die Muster in Lebensvollzügen wie Liebe und Schmerz. Sie ist fasziniert von Wiederholungen und davon, dass sie sich die meisten Fallen, in die sie in ihrem Leben tappt, selbst aufstellt. „Flirt“ ist eine aufschlussreiche Selbsterkundung zum Thema „Gefährliche Anziehung“: „With your slow pace and your roving eyes, I watch you scan the room. Who will surrender to your power? Maybe me?“ Gekonnt spielt sie mit der Idee eines Homme fatal, der die Liedprotagonistin mit sich selbst hadern lässt: „You keep your door, like your fly, always open, ready to taste and try them all. While I dumb, dumb, dumb, dumb . . . cry.“

Doillons Sprachbilder des Begehrens sind stets originell. Überzeugend seufzt sie über „moody lips“ und „sulky brows“, klagt darüber, dass sie stets die Gefahr sucht: „I'm attracted to the light, I'm attracted to the burn.“ Das war schon in ihren ersten Jahren des Musikhörens so. Ihr Vater liebte britische und sogar deutsche Popmusik, ohne die Texte zu verstehen. Ihre älteren, britischen Cousins erfreuten sich indessen an Punk. So konnte Doillon der klassischen, französischen Musiksozialisation entkommen. Statt von Sentimentalität sind ihre Sounds von delikater Rohheit und nicht zu wenig Nervosität lackiert. Das passt zur sarkastischen Art, mit der sie die potenziellen Liebhaber in ihren Liedern abhandelt. Etwa in „Snowed in“, in dem ein attraktiv derangierter Mann sein halbes Leben verschläft: „Some say, get him out of there, before it's too late for fun.“ Sie wird hoffentlich den Rat letztlich doch befolgt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2019)

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