Pop

Tennessee, so fern und doch so nah

Yola Walk Through Fire (Easy Eye Sound/Warner).
Yola Walk Through Fire (Easy Eye Sound/Warner).(Easy Eye Sound/Warner)
  • Drucken

Nashville auf Britisch. Die dunkelhäutige Engländerin Yola hat unter der Regie von Dan Auerbach in Nashville ein gefühlvolles, nostalgisches, melodiensattes Country-Album aufgenommen.

Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, sagt der Volksmund. Doch wer in der Popmusik nach dieser Maxime handelt, erzeugt oft Zweifelhaftes. Rap aus Wien-Fünfhaus, Reggae aus Meidling oder Blues aus Gigritzpatschen, dergleichen kann die Geschmacksnerven ziemlich fordern.

Ganz anders ist es bei der Britin Yola Carter. Diese Sängerin und Liederschreiberin aus einem kleinen Kaff südlich von Bristol hat sich schon früh eingebildet, Countrysängerin werden zu wollen. Was auf den ersten Blick seltsam anmuten mochte, da sie nicht nur Britin, sondern zudem von dunkler Hautfarbe ist. Soul, Funk, Blues oder Jazz hätte man ihr, in Klischees denkend, locker zugestanden. Aber Country, dieses konservative amerikanische Genre?

Allerdings hat sich Yola schon vor ihrem Solodebüt daran versucht – mit ihrer Band Phantom Limb, mit der sie immerhin gemeinsam mit Granden wie Dr. John, Candi Staton und Solomon Burke auf Tournee ging. Hipper war ihr Wirken als Gastsängerin des Bristoler Triphop-Kollektivs Massive Attack. Damals unter ihrem Geburtsnamen Yolanda Quartey. Der Orientierungslosigkeit nach Auflösung von Phantom Limb setzte sie jetzt mit ihrem Soloalbum „Walk Through Fire“ eindrucksvoll ein Ende. Unter der Regie von Dan Auerbach (Black Keys) stürzte sie sich vollends in nostalgietrunkene Americana-Ästhetik. Dabei trieb sie offenbar ein gewisses Bedürfnis nach Eskapismus: „I take a ride out of the country in the soft summer breeze, forgetting about you, forgetting about me“ singt sie zu sanft wimmernden Lap-Steel-Gitarren.

Yolas Country-Verständnis integriert auch Elemente von Blues, Gospel und Soul. Manches erinnert an die frühen Tage von Stax, anderes an den beseelten Gospel der Staple Singers der Sechzigerjahre. Das Singen spielt auch eine Rolle bei ihrer Vorstellung von perfekter Partnerschaft. „Singing harmony in the morning, curling up warm at night. Could life be that kind?“, singt sie, die Möglichkeit solchen Glücks hörbar anzweifelnd. Kein Wunder, ist sie doch in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, „under the breadline“, wie es im Englischen heißt.

Zu wenig zu essen hat sie, wie man am Coverfoto sehen kann, heute nicht mehr. Aber die schwierige Kindheit pocht in ihr weiter. So adressiert sie die Härten des Lebens ungeschönt in ihren Texten. Und geht es um die Liebe, dann kämpft sie mit den Hürden ihrer hohen Ethik. „I gotta deal with desire, the situation is dire, I gotta walk through fire.“ Höllenfeuer und Himmelsfeuer sind offenbar in ihrer Welt benachbart.

Ihre schön patiniert klingende Stimme legte sich bei den Aufnahmen in Auerbachs Studio in Nashville in ein opulentes Klangbett. Unter den Instrumentalisten sind Gitarrist Vince Gill, Banjovirtuosin Molly Tuttle und Bassist David Roe, der einst bei Johnny Cash zupfte. „Walk Through The Fire“ wurde so zu einem melodiensatten, wertkonservativen Album, das klingt wie aus der goldenen Backhendlzeit des Genres. Die Freude daran wird bei jedem Hören größer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.