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Willi Resetarits: »Musiker haben keine Pension«

(c) AP (MARTIN GNEDT)
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Willi Resetarits veröffentlicht sein fünftes Stubnblues-Album „Ois Offn“. Die »Presse am Sonntag« traf den Sänger auf ein Gespräch über Ausländer und Alkohol, Kunst und Korruption.

Ihr Projekt Stubnblues hat nicht nur Sie als Bandleader. Worum geht es letztlich?

Willi Resetarits: Wie die Ritter der Tafelrunde den Gral sucht der Stubnblues das schönste Lied. Natürlich mit der heimlichen Hoffnung, dass wir es nie finden, stattdessen ganz viele beinah perfekte Lieder. Manchmal kommen Songs ungefragt in mir hoch. Das ist diesmal mit „May You Never“ vom englischen Folksänger John Martyn geschehen, einem wunderbaren Lied über Freundschaft, das von zeitloser Gültigkeit ist.

Wann fiel Ihnen „May You Never“ erstmals auf?

Das war Mitte der Siebzigerjahre, während meiner Zeit mit den Schmetterlingen. Der Schurli Herrnstadt ist damit gekommen, und er hat recht gehabt: Dieser Song ist nahezu perfekt. Das hat wohl auch John Martyn selbst mitbekommen. „May You Never“ hat ihn das ganze Leben lang begleitet, ein Leben, das er sich leider sehr schwer gemacht hat. Er war ein grausamer Mitmensch, und doch kam in seinen Liedern die zarte Seele hoch. Wahrscheinlich war er deshalb so arg, weil er lange Zeit als der kommende Weltstar gefeiert wurde, der er letztlich doch nicht wurde. Dann kam leider viel Alkohol ins Spiel.

War Alkohol in Ihrem Leben eher ein Ermöglicher oder ein Verhinderer von sozialen und kreativen Möglichkeiten?

Sicher beides. Heute trinke ich nicht mehr. Ich habe genau in dem Augenblick mit dem Alkohol aufgehört, als ich mir mein Leben damit verbessern konnte. Früher hab ich es mir mit dem Saufen verbessert, jetzt mit der Abstinenz. Der künstlerische Output bleibt wahrscheinlich mit oder ohne Alkohol im Grunde gleich. Es gibt Studien, die belegen, dass der größte Teil an alkoholtrinkenden Dichtern nur nüchtern schreibt. In der Minderheit sind jene, die im Rausch schreiben und ihre Erzeugnisse später nüchtern bestaunen.

Ein großartiger Seismograf untergründiger Stimmungen war der Dichter H.C. Artmann, von dem Sie auf „Ois Offen“ abermals drei Gedichte vertont haben. War er ein Bruder im Geiste?

Er ist für mich ein unerreichbares Vorbild. Die Artmann-Texte beim Stubnblues sind eine Richtschnur, die uns vor Nachlässigkeiten bewahren soll. Artmanns Beobachtungen halten, noch seine normalsten Sätze, gewinnen mit der Dauer der Beschäftigung.

Das neue Album heißt „Ois Offn“. Im Gegensatz zu anderen länger dienenden Protagonisten der österreichischen Szene geht es in Ihrer Kunst immer noch ums Staunen und ums Fragen, weniger um Gewissheiten. Wie kommt's?

Wichtig ist, dass man nicht nur selbstbezogen ist, dass man ein bisserl Empathie entwickelt und schaut: Wie geht's auf dieser Welt? Wie geht's anderen Menschen? Eigentlich ist es dafür hilfreich, wenn einem mit der Zeit die eigene Endlichkeit bewusst wird. Man verschwendet sich nicht mehr so leicht in unnötigen Geplänkeln. Mit dem Stubnblues gehen wir sehr wohl die letzten Fragen an. Wir ahnen aber, dass wir die Antworten nicht finden werden, also streben wir ein Scheitern auf möglichst hohem Niveau an. Der Augenblick zählt dann oft mehr, als langfristige Konzeptionen.

Der perfekte Moment in der Kunst kann für sich schon eine Art Ewigkeit sein. Sehen Sie das auch so?

Auf jeden Fall. In „Hameau“, dem ersten Song des Albums, geht es ja darum, dass man diesen Moment nicht übersieht. Eine wunderbare Komposition von Ernst Molden, die uns schon längere Zeit begleitet.

Dem perfekten Moment in der Kunst stehen gefährlich labile Phasen in der Karriere gegenüber. Erfolgreiche Künstler stürzen verlässlich in tiefe Täler. Wie geht man am besten damit um?

Die erste Popgeneration, also die, die schon in den Sechzigerjahren berühmt war, ist besonders arm dran. Die hat sich meiner Ansicht nach wegen des großen Erfolgs menschlich nicht voll entwickeln können. Dabei kann man aus der Erfahrung der dürren Perioden viel lernen. Es gibt halt Zeiten, in denen die eigene Musikproduktion nicht so gelobt wird. Statt sich einen Panzer anzuessen oder missmutig zu werden, sollte man sich darauf besinnen, was für einen selbst am wichtigsten ist. Das wird dann verlässlich Ausstrahlung auf andere haben.

Vor 35 Jahren erschien das legendäre Schmetterlinge-Album „Proletenpassion“. Gewinnt es angesichts unserer turbulenten wirtschaftspolitischen Zeiten neue Aktualität?

Es gibt sicher Details, die ich heute so nicht mehr singen würde. Die grundsätzliche Stoßrichtung, dass man sich sozial engagiert, bleibt selbstverständlich. Was sich wie ein roter Faden durch die „Proletenpassion“ gezogen hat, war die Frage, wie es passieren kann, dass sich die Menschen empören und beginnen zu versuchen, die Verhältnisse zu ändern. Wie kommt es zu Kettenreaktionen, wie wir sie im Arabischen Frühling gesehen haben? Warum steht bei uns niemand auf, um die hiesige Korruption, wenn sie denn schon unausrottbar scheint, nicht wenigstens abzumildern?

Ist schon die Zeit angebrochen, in der man ehrliche Politiker wählen würde?

Ich fürchte nicht. Man sieht ja jetzt, in welchem Dilemma gewisse Leute sind. Einerseits will man Licht ins Dunkel bringen, wenn man aber alles aufdeckt, gerät die Partei womöglich in finanzielle Schwierigkeiten. Die Lüge in der Politik sollte genauso „pfui“ werden wie das Auf-die-Gasse-Spucken, das noch in den Sechzigerjahren bei uns sehr beliebt war.

Sie sind seit vielen Jahren im Integrationshaus Wien aktiv. Wie viele Ausländer kann Österreich noch vertragen?

Da gibt es sicher eine virtuelle Maßzahl, die kennt aber wohl niemand exakt. In Ostösterreich ist es so, dass seit 5000 Jahren dauernd irgendwelche Leut' kommen. Und alle haben noch einen Platz gefunden. Da soll man sich nicht ins Hemd machen. Anfang des 18. Jahrhunderts waren sehr viele Italiener in Wien. Sogar die Rauchfangkehrerinnung war in italienischer Hand. Und hat's geschadet?

Der politische Folksänger Pete Seeger versucht derzeit mit einer Coverversion von Bob Dylans „Forever Young“ in die US-Charts zu kommen. Sieht Ihre Zukunft ähnlich aus?

Das gefällt mir, dass der Pete Seeger noch aktiv ist. Der erste Hit der Schmetterlinge war ein afrikanisches Lied, das wir von einer seiner Platten gelernt haben: „Tschotscholossa“. Pension kann es für Musiker nicht geben. Sobald man aufhört, wird man hinfällig. Musik ist ein Überlebensmittel. Ein echter Musikant muss so lange weitertun, bis ihn der Buttenhansel holt.

Zur Person: Willi Resetarits

1948
in Stinatz, Burgenland geboren. Brüder sind der Kabarettist Lukas und der ORF-Journalist Peter.

1969
Gründung der Polit-Rockband „Schmetterlinge“.

1971
Erste Single „Tschotscholossa“.

1977
Dreifach-Album „Proletenpassion“ und Teilnahme am Eurovision Song Contest mit dem satirischen Lied „Boom Boom Boomerang“. Vorletzter Platz.

1985
Karrierebeginn als Ostbahn-Kurti, mit von Günter Brödl eingewienerten Coverversionen internationaler Pop-, Soul- und Rocksongs.

2005
Beginn des Kollektivs „Stubnblues“ u.a. mit Stefan Schubert, Roland Guggenbichler, Herbert Berger und Peter Angerer. Blues, Kroatisches, Soul, Samba, Folk – alle Stile sind erlaubt.

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Willi Resetarits

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2012)

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