Rock in Vienna: Hymnen und Hysterie in der Stadt des Bösen

ROCK IN VIENNA: KONZERT: THE HIVES
ROCK IN VIENNA: KONZERT: THE HIVES(c) APA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
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Die britische Band Muse führte auf der Donauinsel ihr Rockdrama auf. Unterhaltsamer: Turbonegro und die flamboyanten Hives.

„Es ist gut, in Wien zu sein, der Stadt des Bösen. Und der Stadt von Sigmund Freud. Freud erfand den Sex. Vor Sigmund Freud hatte niemand Sex.“ So belehrte Tony Sylvester, Sänger der norwegischen Rockkapelle Turbonegro, das Festivalpublikum bei Rock in Vienna. Auch sonst wurden die wenigen Besucher, die trotz brütender Hitze bereits am Nachmittag die beiden Bühnen auf der Donauinsel aufsuchten, belohnt. Denn Turbonegro ist auch nach dem Ausstieg von Langzeitsänger Hank von Helvete ein Garant für Rock-'n'-Roll-Genuss. Die stets geschminkte Band verwendet selbst den Begriff Death Punk, um ihre Musik zu kategorisieren. Wer hinhört, erkennt Iggy Pop & The Stooges, Ramones und, ja, auch Alice Cooper. Überhaupt ist die homoerotische Inszenierung ein Markenzeichen der Norweger. Der Gitarrist erinnert mit seinen Schlaghosen fast an David Bowie in seiner „Diamond Dogs“-Phase, der Bassist tritt als Seemann auf. Ihre Anhängerschaft, die sogenannte Turbojugend, verehrt sie glühend.

Schwarz-weiße Schweden

Auch The Hives aus Schweden können nicht über mangelnde Popularität klagen. Sie zählen zu den erfolgreicheren Vertretern des Garagen-Rock-Revivals der späten Neunziger und frühen 2000er-Jahre. Im Gegensatz zu manch anderen Kollegen aus jener Zeit werden sie nach wie vor gebucht – vor allem für Sommerfestivals. Dass sie immer noch ihre Gage wert sind, zeigten sie am Freitagabend. Mit ihren schwarz-weißen maßgeschneiderten Anzügen können sich Mods gut identifizieren, jüngere Besucher mit den schnellen Punk-Gitarrenriffs. Sänger Pelle Almqvist, einst mit Pagenschnitt, nun mit Karl-Heinz-Grasser-Mähne, führte wie ein blendend gelaunter Kreuzfahrtanimateur auf einem Luxusdampfer durch das Programm. Da musste auch das – oftmals für seine Trägheit getadelte – Wiener Publikum mit. „Wir lieben jeden Einzelnen von euch, und ihr liebt jeden Einzelnen von uns“, sagte Almqvist – und bereitete die Menge so für die ganz große Hysterie vor, die gleich folgen sollte.

Opulente Briten

Die britische Band Muse, bekannt für leidvolle Stimme und opulente Rock-Arrangements mit Elektronik-Einsprengseln, wurde schon vor Beginn ihrer Reise durch das „Supermassive Black Hole“ (Songtitel) gefeiert. Trotz anhaltender Soundprobleme – es war im ersten Drittel viel zu leise – fand der Großteil der 25.000 Besucher Gefallen an ihrer Show. Auch wenn die Songs des neuen Albums „Drones“ eher einen Höflichkeitsapplaus bekamen. Deutlich euphorischer wurden die Luftschlangen, die in den ersten Reihen des Publikums niedergingen, akklamiert.

Auch das Fazit des ersten Rock in Vienna fällt gespalten aus. Ja, Wien hat (endlich) sein eigenes Rockfestival. Die Programmierung – und auch das kulinarische Angebot (Pizza und Panier) – fällt jedoch in die Kategorie „more of the same“. Dabei heißt es doch, Wien sei anders.

Rock in Vienna

Premiere. Beim ersten Rock-in-Vienna-Festival auf der Wiener Donauinsel traten 31 Bands – darunter Kiss, Muse und Metallica – auf zwei parallel ausgerichteten Bühnen auf.


Zahlen. Am Donnerstag kamen mehr als 30.000, am Freitag rund 25.000. (Für Samstag standen noch keine exakten Zahlen fest.)


Veranstalter. Die deutsche Konzertagentur Deutsche Entertainment AG (DEAG) steht hinter dem Festival in Wien. 2016 soll die zweite Auflage folgen.


Konkurrenz. Das nächste Rockfestival, das elfte Nova Rock, findet von 12. bis 14. Juni in Nickelsdorf statt. Veranstalter ist Skalar/Nova Music. Im Vorjahr kamen 150.000 Besucher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2015)

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