Rolling Stones: Hey, Mick Jagger!

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BBC-Radioaufnahmen der Rolling Stones 1963 bis 1965.

Darf man etwas Freches über die frühen Rolling Stones schreiben? Etwas, dem Keith Richards wohl energisch widersprechen würde? (Zum Glück liest er die „Presse“, wie man hört, höchst unregelmäßig.) Okay: Es war eine gute Entscheidung von Manager Andrew Loog Oldham, den Pianisten Ian Stewart aus der Band zu nehmen. Nicht, weil er ein vorstehendes Kinn hatte (das war Oldhams Grund), sondern weil ein Klavier dem scharfen Sound der frühen Stones geschadet hätte. Nur auf zwei Stücken dieser Kompilation spielt ­Stewart, eh sehr leise, und sogar da merkt man’s schon: Das Klavier macht den Klang voller, runder, gemütlicher. Und genau das waren die frühen Rolling Stones nicht: gemütlich. Man höre nur ihre Version von Chuck Berrys „Roll Over Beethoven“, das sie damals wohl nicht auf Platte pressten, weil die Beatles, genauso gelehrige Berry-Schüler wie sie, ihnen zuvorgekommen waren. Und man vergleiche: Bei den ­Beatles klingt dieser Song, nein, gar nicht brav, fast wilder als bei den Stones; aber bei diesen kommt zur Raserei noch eine gewisse Lässigkeit dazu, das liegt vielleicht am subtilen, swingenden Schlagzeug, vielleicht an Mick Jaggers stets trotzig wirkendem Gesang. An einer Stelle variiert er den Text, singt statt „blue suede shoes“ (auf die man bekanntlich nicht steigen soll) „high-heeled boots“. Absicht? Er wird’s selber nicht mehr wissen. Unfassbare 52 bis 54 Jahre sind diese Aufnahmen alt, sie sind entstanden, weil die BBC damals – auch aufgrund des Drucks der Musikergewerkschaft  – noch mehr Livesessions brachte als Platten. Meist wurde vor einem größeren Publikum aufgenommen. Und das hört man – in Form des beharrlichen Kreischens, das 1964 einsetzte und heute noch Gänsehaut erzeugt. Es füllt jeden Raum, den die – ohnehin höchst gereizten – Gitarren lassen, mit Erregung, und manchmal weiß man kurz nicht, wo das Kreischen aufhört und wo die Mundharmonika anfängt.

„On Air“ enthält 18  Songs, die De-luxe-Version ­weitere 14.
„On Air“ enthält 18  Songs, die De-luxe-Version ­weitere 14.(c) Beigestellt

Country. Auf „I’m Moving On“ etwa, einem Song des Countrysängers Hank Snow, den die Stones einst nur in Kurzversion auf „Got Live If You Want It!“ veröffentlichten. Hier ist er ganz, hier sind auch „Cops And Robbers“ und „Crackin’ Up“ von Ellas McDaniel, hier sind „Fannie Mae“ und „Hi Heel Sneakers“. Nein, diese Aufnahmen schreiben die Popgeschichte nicht neu, aber sie verstärken das Bild einer Band, die eine große Mission hatte, die sie bis heute verfolgt. Und wer eine Oldies-Party verwirren will, legt die „Saturday Club“-Version von „Satisfaction“ auf. Da singt Jagger einmal „Hey“ statt „Hey, hey, hey“! Aber sonst passt alles. (Universal)

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