Peter Henisch: Zum Aus-der-Haut-Fahren

"BLUES Plus". Das erst zweite Album von Peter Henisch.
"BLUES Plus". Das erst zweite Album von Peter Henisch.Rossori Music
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Schriftsteller Peter Henisch feiert mit "BLUES Plus" das verregnete Leben.

Die deutsche Popzeitschrift "Rolling Stone" würdigte Peter Henisch jüngst für sein 1975 (!) erschienenes Album "Alles in Ordnung": Er klinge "mürbe und melancholisch wie ein proletarischer, wienerischer Leonard Cohen". Das passt, auch auf Henischs nun, 43 Jahre später erschienenes zweites Album, "Blues Plus". Nur stimmlich hinkt der Vergleich ein bisserl. Wo Cohen ein Leben lang sonor vor sich hinbrummelte, verfügt Henisch über eine helle, flexible Stimme, die ganz und gar nicht nach 75 Lebensjahren klingt. Im Gegensatz zu den lakonisch-ironischen Texten. Etwa "Skyline", das den neoliberalen Zeitgeist geißelt: "Sie haben den Horizont privatisiert. Zeitlich in der Fruah sans kumman, haben eam anfach z sammg rollt und obtransportiert."

Dazu wimmert der vom Sänger beatmete Fotzhobel, die Rhythmusgruppe entriegelt einen zarten Groove. Überhaupt hat Henisch ein grandioses Bluestrio um sich versammelt: Franz Haselsteiner brilliert an Klavier und Ziehharmonika, Peter Strutzenberger treibt mit melodischen Bassfiguren an, der grandiose Hermann Posch spielt eine Bluesgitarre, die an den britischen Granden Peter Green erinnert. Manchmal auch an Curtis Mayfields funky Spiel, etwa im treibenden "Immer wann I ham kum". Dieser Song kreist um das Gefühl, dass man, egal wo man gerade ist, nicht richtig ist. Es gilt zu akzeptieren, dass man als Mensch fast immer zwischen Antizipation und Nostalgie herumeiert. Den tiefen Augenblick zu leben, das bleibt rar. Ein wirkliches Rezept dagegen findet auch Henisch nicht. Seine Conclusio ist immerhin pointiert: "Oba de Haut, aus der man fohrn kaun, muass erst erfunden werden."

Melancholie. Exquisit ist auch der groovige "Vogelweide-Blues": Auf den Spuren des mittelalterlichen Lyrikers klagt Henisch über das rasche Verfließen der Lebenszeit. "Oh weh, wo san denn olle meine Joahr? Hob i mei Leben nur tramt?", fragt er erstaunt wie ein in die Jahre gekommenes Kind. "Vü Leit, die i gern g hobt hob, san oid oda miad oder nur bled", singt er und hält kunstvoll die Balance zwischen vi trio lischem Witz und weher Melancholie. "Hallo Welt", "Kumm und lass di falln mit mir" und "Mutschila Ferdl", das Lied über den gerade abgebankelten Favoritener Fleischhauer mit der blutigen Schürze, erfreuten schon 1975. Jetzt wurden sie spektakulär neu vertont. Sein Gesang in "Polvere di Gesso/Kreidestaub", einem Stück des Cantautore Gianmaria Testa, fährt einem durch Mark und Bein. Ja, der Blues, das muss ein Wiener sein.

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