Elektronische Sehnsuchtsmusik von DJ Koze

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Das großartige neue Album von DJ Koze: In „Knock Knock“ sind Euphorie und Melancholie packend verdichtet.

Wenn Menschen in diesem Sommer tanzen, kann und wird es zu „Pick Up“ von DJ Koze sein: einem unheimlich einfachen, unheimlich packenden Stück Disco/House, das Euphorie und Melancholie zu großer Sehnsuchtsmusik verdichtet. „I guess neither one of us wants to be the first to say goodbye“: Dieses tieftraurige Sample eines alten Soul-Songs von Glady Knight bettet DJ Koze in einen zwingenden Groove mit Streichern und Disco-Gitarre. Herrlich. Auf dem Rest von „Knock Knock“, seinem großartigen dritten Soloalbum, zeigt der Hamburger weniger Interesse daran, am Dancefloor zu bewegen, sondern vorwiegend emotional. Er lässt seine detailreichen Stücke meist hypnotisch anschwellen, voll warmer, organischer Klänge.

Das berührende Schlussstück „Drone Me up, Flashy“ etwa öffnet mit zartem Summen und Dröhnen weite Räume. Traumwandlerisch schön ist auch „Colors of Autumn“ mit Rapper Speech von den Neunzigerjahre-Hip-Hoppern Arrested Development. Dessen Stimme taucht DJ Koze in ein Meer aus Stimmschnipseln, begleitet von einer prägnanten Funk-Gitarre, einem bisweilen gefährlich brummenden Bass und Vogelgesang. Das Ergebnis ist herrlich eigenwilliger R’n’B. Eigenwillig war der viel beschäftigte DJ, Remixer und Produzent immer schon. Und bekannt für seinen anarchischen Humor und die augenzwinkernde Inszenierung. „Knock Knock“ kommt aber ohne doppelten Boden aus, braucht keine Ironie. Mit seinem Gespür für Melodien verbindet er scheinbar mühelos unterschiedliche Tempi, Sounds und Genres. Er erzeugt ein Kaleidoskop an Stimmungen, wie man es in der elektronischen Musik selten hört.

Nicht zuletzt dank großer und großartig eingewobener Stimmen. Wenn etwa Lambchop-Sänger Kurt Wagner mit und gegen den Maschinenpuls von „Muddy Funster“ singt, wird daraus eine sinnliche Ambient-Ballade. Der schwebende Digital-Folk von „Music on my Teeth“ mit José González wirkt wie ein rätselhafter Soundtrack zum Übergang vom Wachsein zum Schlaf. Die (gesampelte) Stimme von Justin Vernon von Bon Iver erwärmt das ansonsten kühle „Bonfire“. „Illumination“ wiederum ist ein Dance-Track mit angezogener Handbremse, der die Ruhe vor dem Sturm zelebriert. Zu pulsierenden Synthesizern gibt Róisín Murphy darin die Disco-Queen. „I need a bit of light here“, singt sie am Höhepunkt, nachdem sich ein störrisches Saxofon in den fesselnden Groove eingemischt hat. Mit „Knock Knock“ kann man genau das tun: Ein wenig Licht hereinlassen. (Pampa Records)

„Knock Knock“. Euphorie und Melancholie, packend verdichtet.
„Knock Knock“. Euphorie und Melancholie, packend verdichtet.(c) beigestellt

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