Paul Weller: Milde Melancholie im Album „True Meanings"

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Besänftigende Bläsermotive, flirrende Streicher: Paul Weller legt sein erstes Balladenalbum vor.

Vorbei scheinen die Zeiten, als Paul Weller mit jungen Girls betrunken auf den Gehsteigen herumgekugelt ist. Er ist jetzt solide mit der bloß 27 Jahre jüngeren Hannah Andrews verheiratet. Eine Tochter gibt es seit dem Vorjahr auch schon. Während Weller in der letzten Dekade vornehmlich mit krachigen Alben und brutal heruntergehämmerten Konzerten die eigene Jugend wieder auferstehen lassen wollte, besann er sich für sein 14. Solo­album „True Meanings" eines Besseren: ­Weller, der über seine gesamte Karriere geniale Balladen wie „Above the Clouds" und „These City Streets" komponiert hatte, veröffentlichte nun erstmals ein Album, das ausschließlich aus solchen besteht.

Die Pose der Nachdenklichkeit steht ihm ausgezeichnet. Dem Zwang, stets frische Ideen vorführen zu müssen, hat er sich endlich verweigert. Besänftigende Bläsermotive, flirrende Streicher: In manchen Passagen erinnert „True Meanings" an die innige Zusammenarbeit von Arrangeur Robert Kirby mit Folkmythos Nick Drake. Bloß, dass bei Weller keine Depression, sondern nur eine milde Form von Melancholie diagostiziert werden kann. Heuer wurde Weller sechzig Jahre alt. In den neuen Liedern wird er grüblerisch. „Do you know there’s no journey, we’re ­arriving and departing all the time", denkt er laut über das Kommen und Gehen nach. „Bowie" heißt das Lied, das den Schrecken über den Tod dieser Ikone reflektiert. Der Text stammt nicht von ­Weller, sondern von Erland Cooper (von der Psychedelic-Folk-Band Erland And The Carnival), der Weller bei einigen Songs kompositorisch zur Hand gegangen ist. Umso beseelter singt Weller religionsabgewandte Zeilen wie „Make the best of every moment, we are not evolving or going anywhere. And it’s fine".

Einer strikt kommunistischen Familie entstammend, glaubt Weller auch in seinem neuen Lebensabschnitt nicht an Transzendenz. Umso mehr aber an die Macht der anmutigen Melodie. Lieder wie „Gravity", „Glide" und „Books" zählen zu den schönsten seiner langen Karriere. Und er hat sich würdige Mitstreiter gesucht. Der steinalte Rod Argent darf die Hammondorgel streicheln, der geniale Popmelodiker Conor O’Brien spielt das Fender Rhodes bei „The Soul Searchers". Weitere Gäste sind die Liedermacherin Lucy Rose und Rockrabauke Noel Gallagher. Wellers Zorn über die gesellschaftlichen Verhältnisse hat sich in existenzielle Gelassenheit verwandelt. Der altkluge Punk gibt hier den altersweisen Folkie, mit Ähnlichkeiten zu John Martyn und Steve Winwood. Ein stilles Meisterwerk!

Anmutig. Paul Wellers Balladenalbum „True Meanings“.
Anmutig. Paul Wellers Balladenalbum „True Meanings“.(c) Beigestellt

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