Edwyn Collins: Die Liebe zum Leben im schottischen Hochland

Edwyn Collins: „Badbea“
Edwyn Collins: „Badbea“(c) AED
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Das einstige geniale Sorgenkind des Indie-Pop hat sich von seinen Hirnschlägen erholt und ist in seine Heimat zurückgekehrt. Auf seinem neunten Soloalbum, „Badbea“, reflektiert er sein wildes Leben.

„I'm near to heaven when I sleep, when I dream“, heißt es zu Beginn des pastoralen, von behutsam gestrichenem Cello geprägten Songs „It All Makes Sense to Me“. Collins verfügt wieder über den goldenen Stimmschmelz, mit dem er entzückt hat, bevor ihn 2005 zwei Hirnschläge getroffen haben. „Badbea“, sein erstes Album seit seiner Übersiedlung nach Schottland, ist das kraftvolle Statement eines Menschen, der, dem Tode entkommen, das Leben intensiver liebt als je zuvor.

Zugegeben, die ersten Jubelkritiken in britischen Medien stimmten skeptisch. Aber „Badbea“ ist tatsächlich ein großer Wurf, der auch jenen unter die Haut gehen wird, die seine Krankenakte nicht kennen. Seit den Tagen seiner Teenage-Band The Orange Juice hat Edwyn Collins nicht mehr so viele Genres gemischt – von grooviger Tanzmusik über Tin-Pan-Alley-Sentimentalität bis zu Post-Punk-Krachern wie „Outside“, in dem er fast so giftig wie Iggy Pop singt.

Collins' Frau, Grace Maxwell, die ihn jahrelang gepflegt und darüber ein berührendes Buch („Falling & Laughing: The Restauration of Edwyn Collins“) verfasst hatte, fand bei der Übersiedlung Textbücher aus Orange-Juice-Zeiten. Entgegen seinen Gewohnheiten verwendete Collins einige alte Verse in neuen Songs wie „It's All about You“. Der Gestus des Rückblicks tut ihm gut. Der Song „I Guess We Were Young“ etwa zählt zu seinen besten: Zu zwitschernden Gitarren und jubilierenden Trompeten changiert seine Stimme zwischen Flamboyanz und edler Resignation. „Forget me now, we've veered off course“, singt er seufzend.

Vom Kurs wich er ja schon recht früh ab. Nach seligen Anfängen beim Independent Label Postcard wechselte er zum Majorlabel Polydor. Dort wusste man mit dem radikal arroganten Youngster bald nichts mehr anzufangen. Jahre später landete er mit „A Girl Like You“ einen Welthit. Seine Kreativität war stets durch seine Lust an Selbstsabotage gefährdet. Seit seiner Genesung aber hat sich sein Zugang zum Leben verändert: Er denkt konsequent positiv, kennt Ambivalenzen nur mehr in der Erinnerung. Etwa im munter hoppelnden „Glasgow to London“, mit dem hübschen Beginn: „Long ago back in Glasgow, ambition drove my life. Now I note I must admit I couldn't give a fuck.“ Oder im Titelsong „Badbea“, in dem er vom einstigen harten Leben im schottischen Hochland raunt. In „Sparks the Spark“ räsoniert er über die immerwährende Kraft von Popmusik. „Music is a protest, Music is the future, Music is the happening, raised upon a system“, heißt es da im Dickicht der Gitarrenklänge.

Jetzt spaziert der bald 60-jährige Edwyn Collins also wieder über den Brora Beach, auf dem er einst die Idee hatte, mit subversiver Musik die Welt zu erobern. Er ist milder geworden, aber seine Radikalität scheint an manchen Ecken dieses Albums durch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2019)

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