Neues Album von Florist: Gegengift für alltäglichen Lärm

Das Trio Florist mutiert auf „Emily Alone“ zum Ein-Frau-Unternehmen von Emily Sprague.
Das Trio Florist mutiert auf „Emily Alone“ zum Ein-Frau-Unternehmen von Emily Sprague.(c) Carley Solether
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Das dritte Album von Florist spielte Emily Sprague ohne ihre Bandkollegen ein. Ihre leisen Folk-Meditationen über Verlust, Einsamkeit und Tod haben hypnotische Kraft.

„Emily Alone“, das dritte Album von Florist, beginnt mit dem raren Fall eines Songs, in dem eine Künstlerin nicht nur zu sich selbst singt, sondern sich auch mit Namen adressiert. „Emily, just know that you're not as alone as you feel in the dark“, singt Emily Sprague zur behutsamen Akustikgitarre in „As Alone“: als Antwort auf die Frage, was ihr Platz in der Welt sei, und die Feststellung „nothing brings clarity to what makes me me“. Mantrahaft wiederholt sie die Zeile „as you feel in the dark“, mit zunehmendem Echo auf ihre Stimme, als würde sie sich selbst besänftigen. Diesen wunderbaren Song als intim zu bezeichnen wäre eine Untertreibung. Er ist wie viele andere Songs des Albums regelrecht nackt. Emily Sprague zeigt sich verletzlich, ohne Schutzschild. Darum geht dieser Selbstzuspruch besonders nahe.

Haare, Pflanzen und Narben

Der Albumtitel „Emily Alone“ beschreibt nicht nur ein zentrales Thema des Albums, sondern auch dessen Entstehungsprozess. Die dreiköpfige Band Florist, 2013 nördlich von New York gegründet, dann in Brooklyn stationiert, mutiert darauf zum Ein-Frau-Unternehmen. Sprague, Sängerin und Songwriterin der Band, hat es allein geschrieben, eingespielt und aufgenommen. In der selbst gewählten Isolation in Los Angeles, wohin sie nach dem Tod ihrer Mutter übersiedelte. Und nach dem Ende einer langjährigen Beziehung. Beides prägt ihre Meditationen über Verlust, Einsamkeit und die Suche nach Erfüllung. Bis zum Extrem: „And if I lose my mind / Please give it back to the earth, fire, water, wind“, singt sie in „Celebration“. Im zarten Falsett, in das sie gleitet, nachdem sie zuvor in Spoken-Word-Manier etwas kryptisch über ihre Haare, Pflanzen und Narben sinniert hat. Dazu schmiegt sich Vogelgezwitscher an die das Album prägenden, repetitiven Gitarrenmuster. In diesen hallt die atmosphärische Kraft nach, die Spragues Ambient-Kompositionen auszeichnet, die sie unter eigenem Namen veröffentlicht. Die Songs auf „Emily Alone“ schweben und fließen, sind oft hypnotisch, bisweilen meditativ. Es sind kleine Variationen, kleine Verschiebungen, die den großen Effekt dieser leisen Musik ausmachen. Und Sprague von anderen Singer-Songwriter- und Folk-Künstlerinnen abheben.

Florist: Emily Alone
Florist: Emily Alone(c) Double Double Whammy

Aus der Ferne dröhnt ein Synthesizer

Nur selten hört man mehr als Spragues Stimme und ihre Akustikgitarre. Im Song „Ocean Arms“ etwa dröhnt wie aus der Ferne ein sanfter Synthesizer. „And why do I feel so happy when I stare at the ocean?“, fragt sie darin, bald die Silben dehnend, bald mehr murmelnd als singend. „Then devastated when I stare at the ocean?“ Im Stück „M“ sind es ein paar verhuschte Piano-Akkorde, die Sprague begleiten, wenn sie fragt: „Can I see heaven's light / With a magic spell and candlelight?“ Unter all den eindringlichen Songs des Albums ist dieser der womöglich eindringlichste. Die Fingerpicking-Ballade „Moon Begins“ wiederum ist eines der wenigen melodischen Stücke. „Death will come“, singt sie gar nicht betrübt im schönen Refrain. Und fügt gelassen hinzu: „Then a cloud of love.“

Das Album beschließt sie zuversichtlich. „Today I'll have you around“, wiederholt sie immer wieder im gleichnamigen Song, mit zart positiver, gedoppelter Stimme. Ihre Botschaft: In der Isolation hilft es, geliebte Menschen mit sich zu tragen, auch wenn sie nicht (mehr) da sind. Im falschen Moment können Songs wie diese kaltlassen. Doch lässt man sich in „Emily Alone“ fallen, schenkt ihm volle Konzentration, dann entfaltet das Album seine spröde Schönheit. Es zählt zu seinen Qualitäten, dass es keinen passiven Konsum zulässt. Und kein flüchtiger Soundtrack für was auch immer sein will. Sondern willkommenes Gegengift für den alltäglichen Lärm unserer Zeit ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2019)

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