Popkritik: Die englische Band Slowdive ist wieder da

„Slowdive“ ist nach 22 Jahren das vierte Album der Band.
„Slowdive“ ist nach 22 Jahren das vierte Album der Band.(c) beigestellt
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Die Gruppe rund um Neil Halstead und Rachel Goswell schließt nahtlos an ihren Trademark-Sound von damals an, präsentiert sich dabei so frisch und voller Saft, als wäre nicht schon ein Vierteljahrhundert verflogen.

Man muss es mit den Bezeichnungen für Musikgenres ja nicht so genau nehmen. Als vager Orientierungspunkt können sie hilfreich sein – man muss sie aber nicht als ewige Kategorien sehen. Der Begriff „Shoegaze“ ist auch so ein feines Wort. Die englische Band Slowdive war vor fast 30 Jahren eines der Aushängeschilder dieses Mikrogenres und hat nun nach 22 Jahre Pause ihr viertes Album veröffentlicht. Es heißt wie die Band selbst: „Slowdive“. Das will etwas bedeuten.

Die Gruppe rund um Neil Halstead und Rachel Goswell schließt nahtlos an ihren Trademark-Sound von damals an, präsentiert sich dabei so frisch und voller Saft, als wäre nicht schon ein Vierteljahrhundert verflogen. Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre wurden mit dem Wort „Shoegaze“ vielleicht zwei Handvoll – meist britische – Bands umrissen, die ihren verträumten, verhuschten Indiepop mit ordentlichem Hall und Rauschen und Echo betankten. „Shoegaze“ deshalb, weil dem Klischee nach die in diesem Segment tätigen Musiker bei Konzerten bevorzugt recht regungslos auf den Bühnenboden starrten, da dort etliche Effektgeräte und Gitarrenpedale mit dem Schuh betätigt werden wollten. Es brummte, es summte, die Gesangsstimmen waren oft mehrfach mit sich selbst überlagert, schwer zu entschlüsseln, rätselhafte Sirenengesänge, wie am Grunde des Swimmingpools aufgenommen. Der Einfluss von Shoegaze wirkt noch heute bei Bands wie Deerhunter, The xx oder Mogwai überdeutlich nach. Slowdive waren und sind Meister dieses Sounds.

Echte Lieder. Es geht auf dem neuen Album aber eben nicht bloß um diese Idee von Sound und Klangdesign. Sondern auch um richtige, echte Lieder. Es sind schöne Lieder. Halstead und Goswell umspielen einander mit ihren wie aus dünnem Glas gegossenen Stimmen. Sie singen zerbrechliche Lieder über Abschiednehmen und Sichwiederfinden, über Sehnsucht, über das Verblassen der Liebe, das glückliche Glühen in den Momenten, in denen es dann doch einmal funktioniert, dieses Leben. Dynamische Verschiebungen, laut/leise, leise/laut, ein sanftes Klingeln der Gitarre, wie durch Watte, durch rosa Nebel aus weiter Ferne dringt es an unser Ohr. Produktionstechnisch ist das alles so genau ausgemessen – man meint mit der Band im Proberaum zu stehen, sie singt zu uns. Wir hören die delikatesten Melodien im Herzen des Orkans. Slowdive müssen mit dieser Platte keine Revolution mehr ausrufen. Einfach eine Band auf der Höhe ihrer Kunst sein, sanft, unaufdringlich, das genügt. Und dann geht leise der Wind.

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