Helga Rabl-Stadler: „Kein Champagner am Vormittag“

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Helga RablStadler bdquoKein Champagner(c) APA/FRANZ NEUMAYR (FRANZ NEUMAYR)
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Salzburgs Festspiel-Gastgeberin Helga Rabl-Stadler über Kleidung, Disziplin und das Kulturereignis als Society-Treffpunkt.

Bei rund 200 Aufführungen an 37 Abenden ist Helga Rabl-Stadler als Festspielpräsidentin in den kommenden Wochen wieder Gastgeberin. Im Interview mit der „Presse“ spricht die Grande Dame des Festivals einmal nicht über die Kultur oder den Wirtschaftsfaktor Festspiele, sondern über Feiern, Disziplin und große Roben.

„Die Presse“: Die Kunst steht bei den Festspielen manchmal im Schatten des Drumherums. Stört Sie das?

Helga Rabl-Stadler: Die Kunst ist die Hauptsache, aber der gesellschaftliche Aspekt war bei den Festspielen immer wichtig, alles andere wäre Heuchelei. Das war schon vor 90 Jahren so, als Max Reinhardt sein Schloss Leopoldskron zum gesellschaftlichen Treffpunkt machte. Es ist dieser Dreiklang aus Kunst, Architektur und Gesellschaft, der den Reiz in Salzburg ausmacht. Warum sollen die Menschen nicht feiern, wenn sie sich bei einem Opern-, Theater- oder Konzertbesuch treffen?

Setzt sich das Publikum, das allabendlich in der Hofstallgasse flaniert, nicht selbst zu sehr in Szene?

Rabl-Stadler: Das große Inszenieren gibt es ja heute nicht mehr. Die Zeiten, als der Modemacher Rudolf Moshammer mit blau gefärbter Haartolle und großer Limousine ankam, sind längst vorbei. Oft wird Herbert von Karajan als Beispiel für die Wichtigkeit des Gesellschaftslebens in Salzburg genannt. Er selbst hat aber überhaupt nicht an diesen Einladungen teilgenommen. Den Glamour überließ er seiner Frau Eliette, er bereitete sich stattdessen auf sein nächstes Konzert vor.

Gibt esbei den Festspielen Kleidervorschriften?
Rabl-Stadler: Nein. Faktum ist, dass die Leute bei den Festspielen gut angezogen sind. Das freut mich nicht nur, weil ich früher ein Modegeschäft hatte. Bei einem Konzert in der Carnegie Hall hat mich furchtbar geärgert, dass die Leute nach dem zweiten Stück im Saal ihre Regenmäntel ausgezogen und unter den Sitz gestopft haben. Noch vor dem Ende des Konzerts haben sie die Mäntel hervorgekramt und angezogen, um möglichst schnell wieder draußen zu sein. So etwas stört mich. Es ist eine Wertschätzung gegenüber der Kunst, sich auch entsprechend zu kleiden.


Braucht es große Roben?
Rabl-Stadler: Nein, aber man zieht sich entsprechend an. Das ist keine Frage des Geldes: Ein kleines Schwarzes gibt es bei H&M um 49 Euro.


Darf man in Jeans kommen?
Rabl-Stadler: Mich freut das nicht. Aber eines ist klar: Ausgesperrt wird deshalb niemand.


Was zieht die Festspielpräsidentin an?
Rabl-Stadler: Heuer habe ich einen Smoking von Yves Saint Laurent gekauft. Ich schätze schwarze Kleider und Hosenanzüge, weil da nicht auffällt, wie oft man sie schon getragen hat. Bei einem roten Kleid ist das anders.


Fünf Wochen mit Aufführungen, Festen, Arbeitsterminen – wie hält man das durch?
Rabl-Stadler: Ich bin ungeheuer belastbar und diszipliniert, ich stehe früh auf, um mein normales Arbeitspensum zu erledigen. Ich schaue, dass ich mir jeden Tag irgendwann zu Hause eine halbe Stunde Pause gönnen kann. Am Ende der Festspiele sieht man schon, dass es eine anstrengende Zeit war. Aber die Erfolge geben auch viel Kraft. Schwierig wird es mit der Kraft, wenn unangenehme Dinge wie der Fall Kretschmer passieren.


Hat sich der Skandal um den früheren technischen Direktor bei den Kartenverkäufen bemerkbar gemacht?
Rabl-Stadler: Nein. Die meisten Menschen wissen, dass man sich vor der verbrecherischen Energie eines Einzelnen schwer schützen kann.


Bei den Empfängen und Festen gehört Essen und Trinken dazu. Wie hält man das bei drei, vier Veranstaltungen am Tag durch?
Rabl-Stadler: Für mich gilt: kein Glas Champagner am Vormittag, nicht zu viel Kaffee. Während der Festspiele nehme ich nicht zu, zum Essen komme ich meist erst nach Einbruch der Dunkelheit.


Wer sind denn tolle Gastgeber in Salzburg?
Rabl-Stadler: Für mich ist der Galerist Thaddaeus Ropac ein Beispiel dafür, wie man Leute mit ebenso viel Kunstsinn wie Geld versammelt. Er bringt die richtigen Leute nach Salzburg, Künstler und Sammler. Solche Gastgeber wünschen wir uns. Von vielen Feiern und Empfängen wissen wir ja gar nichts. Die wirklich reichen oder prominenten Menschen feiern im Stillen, die wollen nicht in der Zeitung stehen. Siehe auch S. 21

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2010)

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