„Die Wege des Herrn“: Das sündhafte Treiben eines dänischen Pastors

Pfarrer Johannes (Lars Mikkelsen, links) und sein Sohn August (Morten Hee Andersen).
Pfarrer Johannes (Lars Mikkelsen, links) und sein Sohn August (Morten Hee Andersen).(c) Tine Harden
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Lars Mikkelsen als ehrgeiziger Pfarrer und unberechenbarer Familienvater, der sich von Gott nicht gesehen fühlt: Arte zeigt ab Donnerstag die dänische Produktion „Die Wege des Herrn“ von den Machern der Erfolgsserie „Borgen“.

„Siehst du mich gar nicht? Wie kannst du gar nicht sehen, was ich tue?“ Johannes Krogh ist böse auf Gott, seinen Herrn, für den er so viel zu geben bereit ist. Der evangelisch-lutherische Pfarrer und zweifache Familienvater hat sich um das Bischofsamt von Kopenhagen beworben – und es nicht bekommen. Statt ihm wurde eine Frau bestellt. Nun kniet er, gespielt von Lars Mikkelsen, vor dem Altar seiner kleinen Kirche und suhlt sich in Selbstmitleid. Danach beginnt er eine seiner tagelangen Sauftouren. Weder sein Team noch seine Familie wissen, wo er sich aufhält. Doch sie kennen ihren Johannes und seine regelmäßigen Abstürze. Sie wissen, er kommt zurück.

Pfarrer in neunter Generation

Es ist ein ungewöhnliches, im Fernsehen bislang selten beleuchtetes Terrain, auf das sich die dänische Serie „Die Wege des Herrn“ (Im Original: „Herrens veje“, 2017) wagt: Das Leben und Lieben eines Kirchenmannes. Johannes Krogh ist evangelischer Pfarrer in neunter Generation und besonders ehrgeizig. Recht machen kann man es ihm, selbst innerhalb der Familie, nur kaum. Zu seinen beiden Söhnen, die mit der Last der Familientradition unterschiedlich umgehen, hat er ein schwieriges Verhältnis. Zum älteren, Christian (Simon Sears), weil der sich nach ersten Lehrjahren von der Kirche verabschiedet hat und sein Glück nun als Start-up-Gründer in der freien Marktwirtschaft sucht.

Zum jüngeren, August (Morten Hee Andersen), obwohl oder gerade weil der als Wunderkind der dänischen Volkskirche gilt und als sehr junger Pfarrer die Kraft des Glaubens auch an ein jüngeres Publikum vermitteln kann. Weil der Vater tagelang nicht auffindbar ist und das Begräbnis eines wichtigen Gemeindemitglieds ansteht, bittet die Mutter (Eleonora Jørgensen) ihren Sohn August, den Gottesdienst für seinen Vater zu übernehmen. Doch Johannes taucht noch rechtzeitig auf, betrunken und grantig, weil der Sohn ihm rät, in seinem Zustand nicht vor die Gemeinde zu treten. Er herrscht ihn – wieder direkt unter dem Altar seiner Kirche – an: „Soll ich dir eine kleben? Du bist schon immer nur ein kleiner Streber gewesen.“

Im Rausch betrügt er seine Frau

Viele Themen werden in dieser zehnteiligen Serie des Dänischen Rundfunks angeschnitten, die Adam Price, Erfinder und Autor der sehr erfolgreichen Politserie „Borgen“ (2010 bis 2013) geschrieben und produziert hat: die Macht der Familie und der Tradition, der klassische Vater-Sohn- und parallel dazu Bruder-Bruder-Konflikt und die Mühsal des Lebens im Einklang mit Gott. Pfarrer Johannes trinkt und betrügt im Rausch seine Frau – ein Kirchenmann, der sich als Herrscher inszeniert.

Spannend ist „Die Wege des Herrn“ hauptsächlich, weil die Serie in der Gegenwart spielt und die Probleme und Krisen der dänischen Volkskirche anspricht: Den Schwund an aktiven Gläubigen in der Gemeinde, Themen wie ein zunehmender Atheismus, Zuwanderung und das Zusammenleben oder Abgrenzen von anderen Religionen. Dass Johannes Krogh selbst eine Familie, eine Partnerin und eine Liebschaft hat, hilft ihm in manchen Belangen, Konflikte seiner Gemeindemitglieder nachzuvollziehen – und dann auch wieder nicht. Er steht sich selbst mit seiner Machtgier im Wege. Spannend ist auch die Figur von Sohn August, diesem talentierten, sanftmütigen jungen Mann, dem scheinbar alles in den Schoß gelegt wurde. Obwohl ihm die neue Bischöfin die Leitung der größten Kirche Kopenhagens übertragen will, geht er lieber als Militärpfarrer in ein Krisengebiet. Sehr zum Leidwesen seiner jungen Frau, die ein Kind von ihm möchte.

All das wird in dieser typisch dänischen, unaufgeregten Weise erzählt, die seit „Borgen“ internationale Fans hat. Mit klaren Bildern, guter Musik und einem malerisch komponierten Vorspann, der bewusst mit christlichen Bildern wie dem des Letzten Abendmahls spielt. Selten war Lars Mikkelsen, der auch in internationalen Serien wie „House of Cards“ (den russischen Präsidenten) oder der Europa-Produktion „The Team“ mitgespielt hat, so unsympathisch und herrisch wie hier in der Rolle des Johannes. Für seine schauspielerische Leistung erhielt er soeben den International Emmy.

„Die Wege des Herrn“: Alle zehn Folgen am Donnerstag, 28.11., Donnerstag, 6. und 13.12., jeweils ab 20.15 Uhr, Arte.

Markante Kirchenmänner

Skandinavien hat zur Film- und TV-Geschichte einige markante Kirchenmänner beigesteuert, vor allem dank Ingmar Bergman: etwa den sadistischen und bigotten Stiefvater in „Fanny und Alexander“, den nicht mehr an Gott glaubenden Pastor in „Licht im Winter“ oder den Bergmans Vater nachempfundenen Henrik in „Die besten Absichten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2018)

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